zu Ihrem Titel
in der FAZ vom 23.01.2004 “Entschädigungslose
Enteignung der Bodenreform-Erben rechtswidrig”
und dem Artikel von Reinhard Müller und Klaus
Peter Krause in derselben Ausgaben “Noch nicht
zu beziffern”, ferner den Artikeln auf S. 5
Ihrer Ausgabe vom 24.01.2004
Sehr geehrte Damen und
Herren,
in
Ihrer Berichterstattung kommen zwei Aspekte
der Entscheidung des EGMR vom 22. Januar 2004
zu kurz:
1.
Die Beschwerdeführer in Straßburg
hatten einen weiten Spießrutenlauf hinter
sich, bevor sie den EGMR anrufen konnten.
Der EGMR kann nämlich erst angerufen
werden, wenn der nationale Rechtsweg erschöpft
ist.
Letzte
Instanz des nationalen Gerichtswegs ist das
Bundesverfassungsgericht. Die 2. Kammer des
BVerfG, bestehend aus den Richtern Jäger,
Hömig und Kühling hatte vorweg einstimmig
die Annahme der Verfassungsbeschwerden gegen
die Entziehung des Bodenreformeigentums zurückgewiesen
mit der Begründung, der in erster Linie
gerügte Verstoß gegen Art. 14 GG
(Eigentumsgarantie) liege offenbar nicht vor.
Nunmehr
hat - und zwar ebenfalls e i n s t i m m i
g - die 7. Kammer des EGMR entschieden, daß
der mit Art. 14 GG übereinstimmende Art.
1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen
Menschenrechtskonvention verletzt ist.
Mit
dieser Entscheidung hat der EGMR dem BVerfG
eine schallende Ohrfeige verpaßt. Der
Knall dieser Ohrfeige müßte in
Deutschland aufrütteln und die Frage
aufwerfen: Ist das BVerfG noch der Hüter
unserer Verfassung? Ist die 2. Kammer am BVerfG,
die über die Annahme oder die Ablehnung
von Verfassungsbeschwerden entscheidet, die
die Wiedervereinigungsgesetzgebung betreffen,
in der gegenwärtigen, kaum veränderten
Zusammensetzung noch tragbar?
2.
Nach den bisherigen Presseveröffentlichungen
und Stellungnahmen von Politikern dürfte
die finanzielle Einbuße, die die Entscheidung
des EGMR vom 22. Januar 2004 für den
Fiskus des Bundes und der neuen Bundesländer
bedeutet, bei einer Milliarde EUR liegen.
Es ist davon auszugehen, daß dem EGMR
bei seiner Entscheidung diese finanzielle
Folge für den deutschen Fiskus bewußt
war.
Mit
seiner Entscheidung offenbart der EGMR damit
seine Unabhängigkeit von finanziellen
Befindlichkeiten des deutschen Fiskus. Eben
diese Unabhängigkeit besitzt das BVerfG
nicht. Die allgemeine Haushaltslage und der
Einsatz der vom BVerfG angenommenen knappen
öffentlichen Mittel für allgemeine
Zwecke haben namentlich dessen Rechtsprechung
zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz
geprägt, wie im EALG-Urteil vom 22. November
2000 nachzulesen. Mit der Begründung,
dies komme die Bundesrepublik zu teuer, hat
das BVerfG eine Entschädigung abgelehnt,
die sich am Verkehrswert der entzogenen Vermögen
orientiert. Dabei wäre nur eine solche
Entschädigung sach- und interessengerecht
in den Fällen, in denen die Bundesrepublik
sich das von der sowjetischen Besatzungszone
und der DDR enteignete Gut mit der Wiedervereinigung
angeeignet hat; ist sie doch um den Verkehrswert
dieses Vermögens ungerechtfertigt bereichert.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rosenberger
Vorsitzender
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