IOB
   Interessengemeinschaft der in der Zone enteigneten Betriebe e.V.

 
 

Rundschreiben vom 09. März 2004

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,

zur diesjährigen Jahresversammlung lade ich namens des Vorstandes hiermit ein für

Freitag, den 23. April 2004, 11:00 Uhr
Stadthalle Bonn-Bad Godesberg
Koblenzer Straße 80
53177 Bonn

Die Anfahrtsskizze ist auf der Rückseite beigefügt (Anreise siehe hier ). Soweit Sie am Erscheinen gehindert sind, erteilen Sie bitte Vollmacht gemäß dem als

- Anlage 1 -

beigefügten Formular.

Vorgesehen ist folgende

Tagesordnung:

1. Eröffnung und Begrüßung

2. Bericht des Vorsitzenden

3. ergänzende Berichte der übrigen Vorstandsmitglieder

4. Aussprache

5. Finanzbericht des Geschäftsführers

6. Bericht der Kassenprüferin

7. Entlastung des Vorstandes

8. Ehrenmitgliedschaft für unseren langjährigen Geschäftsführer Ernst Ikert

9. Vortrag von Frau Constanze Paffrath über ihr Buch: “Macht und Eigentum, die Enteignungen 1945 bis 1949 im Prozess der deutschen Wiedervereinigung”

10. Verschiedenes

Turnusmäßig berichte ich wie folgt:

1. Beschwerden zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
a) Die Beschwerde von Frau Dr. Grün zur Entziehung des Bodenreformeigentums durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz im Jahre 1992 war erfolgreich. Hierüber berichtete die gesamte deutsche Presse. Von den Presseveröffentlichungen füge ich beispielhaft bei:

FAZ vom 23. Januar 2004

- Anlage 2 -

Kommentar in der Mitteldeutschen Zeitung vom 23. Januar 2004

- Anlage 3 -

Ich selbst habe zu der Entscheidung noch am 22. Januar 2004 per Telefax die als

- Anlage 4 -

beigefügte Pressemitteilung für die IOB verschickt und außerdem den als

- Anlage 5 -

beigefügten Leserbrief an die FAZ gesandt. Die Ambivalenz der Entscheidung wird besonders deutlich anhand von zwei Leserbriefen aus der “Volksstimme” Gardelegen vom 10. Februar 2004

- Anlage 6 -

und einen Leserbrief von Dr. Golf in der FAZ vom 28. Februar 2004.

- Anlage 7 -

b) Beschwerden gegen das EALG
Die IOB hat die für dieses Frühjahr fällige Vorstandssitzung mit einem Besuch in Straßburg verbunden, um an der Verhandlung über die Beschwerden gegen das EALG am 29. Januar 2004 teilzunehmen. Über die Verhandlung habe ich im Internet, wie aus der

- Anlage 8 -

ersichtlich, berichtet. Diesem Bericht ist gegenwärtig nichts hinzuzufügen. Die Entscheidung des EGMR erwarte ich nicht vor dem 01. Juni 2004.

2. Entschädigungsrechtsänderungsgesetz (EntschRÄndG)
Den vollständigen Text des am 10. Dezember 2003 in Kraft getretenen EntschRÄndG füge ich als

- Anlage 9 -

bei. A u f z w e i D i n g e m a c h e i c h S i e b e s o n d e r s a u f m e r k- s a m :

a) Anders als zunächst erwartet, ist es bei der 6 %igen Verzinsung der Entschädigungs-/Ausgleichsleistungsansprüche verblieben (Art. 1 Ziff. 1).

Der Entwurf des EntschRÄndG sah noch eine Herabsetzung des Zinssatzes ab 01. Januar 2008 auf 4 % vor (vgl. IOB-Rundschreiben vom 12. Dezember 2003, Ziff. 3). In seiner vorschnellen Besprechung des noch nicht verabschiedeten EntschRÄndG in der Fachzeitschrift VIZ 2003, S. 505 geht der uns sattsam be-kannte Prof. Motsch noch davon aus, dass diese vom BMF beabsichtigte Herabsetzung des Zinssatzes Gesetz würde. Hiergegen erhoben sich aber vor der zweiten und dritten Lesung im Bundestag erhebliche Bedenken im zuständigen Finanzausschuss des Bundestages, so dass es auch für die Zeit nach dem 01. Januar 2008 bei einer Verzinsung von 6 % p.a. bzw. 1/2 % p.m. geblieben ist. Ausschlaggebend für die Beibehaltung des Zinssatzes dürfte der Gedanke gewesen sein, dass Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche bereits in erheblichem Umfang verkauft sind und die gewerblichen Aufkäufer mit 6 % über den 01. Januar 2008 hinaus kalkuliert haben. Für diese Aufkäufer wäre die Herabsetzung des Zinssatzes eine entschädigungslose Enteignung gewesen. Hinzu gekommen sein wird die Erwägung, dass die Verzinsung von 6 % eine Kompensation dafür darstellt, dass die Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche bis zum 01. Januar 2004, also für einen Zeitraum von mehr als 13 Jahren seit der Wiedervereinigung, völlig zinslos gestellt sind. Schließlich scheint der Gedanke eine Rolle gespielt zu haben, dass eine Herabsetzung des Zinssatzes von 6 % auf 4 % eine Belohnung für die schleppende Bearbeitung der Entschädigungsverfahren bei den ÄRoV darstellt und dazu verleiten könnte, die Bearbeitung weiter zu verzögern.

Bedenklich an der Novelle ist allerdings, dass die Verzinsung nur bis zum Kalendermonat vor der Bekanntgabe des Bescheides läuft. Es kann hier ein erheblicher zinsfreier Zeitraum zwischen dem Erlass des Bescheides und der Auszahlung entstehen. Denn es steht nicht fest und ist nirgendwo geregelt, welchen Zeitraum die Verwaltung verstreichen lassen kann, bis gezahlt wird. Die Bestimmung begegnet auch Bedenken im Hinblick auf Art. 19 GG. Legt nämlich ein Entschädigungsberechtigter Widerspruch gegen den Entschädigungsbescheid ein, weil er die festgesetzte Entschädigung für zu niedrig hält, kommt die festgesetzte Entschädigung zunächst nicht zur Auszahlung. Erst wenn das Widerspruchsverfahren abgeschlossen und der Entschädigungsbescheid rechtsbeständig geworden ist, wird ausgezahlt. Während des gesamten Widerspruchsverfahrens, das Monate und sogar Jahre dauern kann, bleibt der Entschädigungsanspruch also unverzinst. Im Hinblick auf die schleichende Geldentwertung bedeutet dies für den Widerspruchsführer einen nicht unerheblichen Nachteil. Von ihm geht ein wirtschaftlicher Druck aus, den Widerspruch zu unterlassen. Dieser Druck steht mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 GG nicht im Einklang.

b) Soweit Sie nach 1949 enteignet wurden, b e a c h t e n S i e u n b e d i n g t d i e F r i s t i n § 5 d e s A r t . 4 d e s G e s e t z e s (Gesetz zur Regelung des in der Deutschen Demokratischen Republik nicht erfüllter Entschädigungsansprüche aus Enteignung)! Danach können Anträge auf nachträgliche Erfüllung von Entschädigungsansprüchen, ferner Rechte an enteigneten Grundstücken nur bis zum
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geltend gemacht werden!

Die unbedingt zu beachtende Ausschlussfrist betrifft

• Entschädigungen nach den Gesetzen der DDR, die auszuzahlen sind, wenn keine Entschädigung nach dem EALG gewährt wird

• bisher gesetzlich nicht erfasste Entschädigungsansprüche für Rechte an Grundstücken, in erster Linie also Hypotheken und Grundschulden. Für den Verlust derartiger Rechte wurden bisher dann keine Entschädigungen gewährt, wenn das belastete Grundstück während der Zeit der DDR “redlich” erworben worden war.

Soweit Sie nach 1949 enteignet wurden und entsprechende Ansprüche noch nicht angemeldet haben, tun Sie dies bitte. Das gilt auch dann, wenn noch Rechtsstreitigkeiten wegen Ihrer Berechtigung nach dem VermG oder dem EntschG schweben, weil für den Fall eines negativen Prozessausganges Rechtsverluste drohen können.

3. Rückforderung/Verrechnung von Lastenausgleich - hier: Kriegsschadenrente
In einem Musterprozess, der beim VG Köln geführt wurde, hat das VG Köln die Berechtigung zur Rückforderung auch der Kriegsschadenrente nach dem 33. ÄndG LAG bestätigt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen habe ich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das BVerwG hat der Beschwerde stattgegeben und die Revision zugelassen.

Ich rechne nun damit, dass im Laufe des zweiten Halbjahrs 2004 vor dem BVerwG verhandelt wird und hoffe, dass ich das bestmögliche Ergebnis erziele, nämlich dass das BVerwG den Prozess aussetzt und dem BVerfG die Frage vorlegt, ob die Rückforderung von Kriegsschadenrente nach dem 33. ÄndG LAG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

4. Doktorarbeit von Frau Constanze Paffrath
Die Doktorarbeit ist zwischenzeitlich im Buchhandel erhältlich, vgl. den Anfang der als

- Anlage 10 -

beigefügten Buchbesprechung in der FAZ vom 19. Februar 2004.

Die Buchbesprechung schicke ich besonders mit, weil hier ausgerechnet in der den Enteigneten wohl gesonnenen FAZ kritisch über die Arbeit geurteilt wird. Gegen die Buchbesprechung hat es zahlreiche Proteste in Leserbriefen an die FAZ gegeben. Zwei der wichtigsten Leserbriefe aus der FAZ vom 27. Februar 2004, nämlich die unseres ehemaligen Vorstandsmitglieds Karin Rohde und die des ehemaligen Bundesrichters Falk von Maltzahn sind als

- Anlage 11 -

beigefügt. Ich habe Frau Paffrath für die Jahresversammlung am 23. April 2004 als Referentin eingeladen. Sie wird im Rahmen ihres Vortrags zu der kritischen Buchbesprechung aus der FAZ sicher Stellung nehmen.

5. Presseveröffentlichungen
Das Urteil vom 22. Januar 2004 über das Bodenreformeigentum, die Verhandlung am 29. Januar 2004 sowie die in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Doktorarbeit von Frau Paffrath hat das öffentliche Augenmerk auf unsere Problematik gelenkt. Zwei besonders wichtige Publikationen sind dabei

a) der Leitartikel in der ZEIT vom 29. Januar 2004

- Anlage 12 -

und

b) der Artikel aus dem SPIEGEL vom 02. Februar 2004 mit dem Titel “Kohl wackelt”.

- Anlage 13 -

Zu diesen beiden Publikationen ist anzumerken:

a) Der Leitartikel in der ZEIT stammt von deren Herausgeber Michael Naumann, der früher Kulturstaatssekretär in der ersten Legislaturperiode Schröder war. Die ZEIT war bisher äußerst zurückhaltend, was unser Thema anbetrifft.

Ich habe Herrn Naumann auf die Publikation den als

- Anlage 14 -

beigefügten Brief sowie ein Exemplar meines Karikaturenbandes über das Bundesverfassungsgericht geschickt. Herr Naumann hat mir darauf geantwortet, dass die politische Wahl und Zusammensetzung des BVerfG ein Thema sei, dem man sich bei der ZEIT demnächst besonders annehmen wolle.

b) Der SPIEGEL-Artikel lässt hoffen, dass Kohl noch einmal die ganze Wahrheit um die Vorbedingungslüge offenbart.

Interessant an dem SPIEGEL-Artikel ist vor allem die Überschrift. “Kohl wackelt” liest sich so, als ob es eine verschworene Gemeinschaft von Eingeweihten gibt, die für die Vorbedingungslüge und deren Aufrechterhaltung verantwortlich sind und als ob Kohl aus der Phalanx dieser Verschwörer auszubrechen droht.

6. Verschiedenes
a) Gemäß einem weiteren Artikel im SPIEGEL vom 02. Februar 2004

- Anlage 15 -

sind bis heute gut EUR 900 Milliarden von West- nach Ostdeutschland geflossen. Das sind ca. DM 1,8 Billionen.

Zum Vergleich: Die Bundesregierung hat auf eine entsprechende Frage des BVerfG im EALG-Verfahren erklärt, dass für am Verkehrswert orientierte Entschädigungen/Ausgleichsleistungen zusätzlich DM 26 Milliarden erforderlich seien. Eine angemessene Entschädigung zugunsten der Konfiskationsopfer würde also nicht einmal 1,5 % der bisherigen Subventionen für die neuen Bundesländer kosten!!

b) Aus der jüngsten Quartalsstatistik des BARoV (per 31. Dezember 2003) füge ich als

- Anlage 16 -

die Tabellen über die Erledigung der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungs-ansprüche und zum Vergleich die Statistik des Vorquartals (per 30. September
2003) als

- Anlage 17 -

bei. Während nach der Statistik des BARoV die letzten Restitutionsverfahren kaum vorankommen - nach wie vor sind knapp 96 % der Verfahren unerledigt -, wurden ca. 6.000 Verfahren nach dem EALG im letzten Quartal 2003 abgearbeitet. Bei gleich bleibender Erledigungsquote und ca. 510.000 Verfahren, von denen 326.000 abgearbeitet sind, wären die EALG-Ansprüche in acht Jahren abgearbeitet. Dass dies der Fall sein wird, muss allerdings bezweifelt werden. Denn die Abarbeitung hat sich zuletzt deutlich verlangsamt. Im 3. Quartal 2003 wurden noch rund 16.500 Verfahren abgearbeitet; im 4. Quartal sind es nurmehr rund 6.000.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass in der Statistik des BARoV ca. 150.000 Fälle als erledigt aufgeführt sind, die schon kurz nach der Wiedervereinigung erledigt waren (es handelt sich um die Fälle der so genannten Vorabregelung, also um Entschädigungsleistungen für Kontoguthaben, die von den Übersiedlern unmittelbar vor und nach der Wende zurückgelassen werden mussten). Die

“eigentlichen” EALG-Ansprüche, nämlich die für entzogene Immobilien und Unternehmen, sind noch kaum in Gang gekommen. Ihre Erledigung wird bedeutend mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Entschädigung für Kontoguthaben. Wie wenig hier erst abgearbeitet ist, zeigt die letzte Zahl der Statistik per 31. Dezember 2003. Danach wurden erst für EUR 469.755.916,00, also für ca. DM 900 Mio. Schuldverschreibungen (für größere EALG-Ansprüche) zugeteilt. Dem gegenüber stehen Ansprüche in 10-facher Höhe, also in Höhe von ca. DM 9 Mia. Von den “eigentlichen” EALG-Ansprüchen, und das verschweigt die BARoV-Statistik, sind also erst ca. 10 % abgearbeitet.


Ich hoffe, viele von Ihnen auf der Jahresversammlung am 23. April 2003 begrüßen zu können. Die Jahresversammlung wird mit dem Vortrag von Frau Paffrath und im Blick auf die hängenden Prozesse sicher interessant werden.

Mit freundlichen Grüßen


Dr. Rosenberger
Vorsitzender

 
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