Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder,
nach der Sommerpause berichte
ich wie folgt:
1. Beschwerden zum Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte
Nachdem noch weitere Schriftsätze gewechselt
worden sind, gibt es noch keinen Termin für die
Beschwerden gegen das EALG.
Auf der anderen Seite ist für
den 1 8. S e p t e m b e r 2 0 0 3 Verhandlungstermin
anberaumt für die Beschwerde von Frau Dr. Grün,
die auf der Jahresversammlung der IOB am 11. April
2003 gesprochen hatte.
Bei dieser Menschenrechtsbeschwerde
geht es um das sogenannte Bodenreform-Eigentum. Nach
dem Bodenreformabwicklungsgesetz von 1992 sollen diejenigen,
die im Zuge der Bodenreform Eigentum erworben hatten,
des Eigentums dann verlustig sein, wenn sie heute
nicht mehr in der Landwirtschaft tätig sind.
Gegen dieses Gesetz hatten Betroffene
geklagt und zuletzt Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Das BVerfG hat in einem Nichtannahmebeschluß
vom 06. Oktober 2000 einen Verfassungsverstoß,
namentlich einen Verstoß gegen Art. 14 GG (Eigentumsschutz)
verneint.
Frau Dr. Grün ist zuversichtlich,
daß der Europäische Gerichtshof eine Eigentumsverletzung
bejaht. Das würde ganz erhebliche Auswirkungen
haben. Von dem Bodenreformabwicklungsgesetz sind ca.
70.000 Eigentümer betroffen.
In Straßburg steht damit außerdem ein
nicht unwichtiger Teil der Bundesgesetzgebung nach
der Wiedervereinigung auf dem Prüfstand. Sollte
sich herausstellen, daß das Bodenreformabwicklungsgesetz
mit der auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention
niedergelegten Eigentumsgarantie nicht zu vereinbaren
ist, könnte das auch für andere Gesetze
im Zuge der Wiedervereinigung von erheblicher Bedeutung
sein, wie etwa für das Sachenrechtsbereinigungsgesetz
und das Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz.
Darüber hinaus ist zu erwarten,
daß eine Entscheidung in Straßburg wichtige
Hinweise gibt, wie der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte zu der Beschwerde gegen das
EALG steht.
Es wird also noch einmal spannend.
Verfolgen Sie bitte genau die Medienveröffentlichungen
am 18. und 19. September 2003! Für die IOB wird
unser stellvertretender Vorsitzender Dr. Märker
als Beobachter an der Verhandlung am 18. September
2003 teilnehmen.
2. straf-, verwaltungs-
und beruflichsrechtliche Rehabilitierung
a) Der Dreierausschuß des 1. Senats des BVerfG
hat in einer Entscheidung vom 04. Juli 2003 einstimmig
die Annahme einer Verfassungsbeschwerde gegen §
1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG abgelehnt. Nach § 1 Abs.
1 Satz 3 VwRehaG ist die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung
für Enteignete auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher
Grundlage (1945 bis 1949) ausgeschlossen. Die Bestimmung,
so das BVerfG, sei verfassungsgemäß. Die
Entscheidung füge ich als
- Anlage 1 -
bei.
b) Die Frist für die Anträge
zur straf-, verwaltungs- und berufsrechtlichen Rehabilitierung
soll nach einem Gesetzentwurf der neuen Bundesländer
über dem 31. Dezember 2003 hinaus bis zum 31.
Dezember 2006 verlängert werden.
3. Bearbeitungsstand nach dem Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsgesetz
Am 25. August 2003 erschien der als
- Anlage 2 -
beigefügte Artikel “Endloser
Schlamassel” im SPIEGEL. Ein ähnlicher
Artikel wurde im Focus veröffentlicht. Der Artikel
im SPIEGEL beruht u.a. auf der letzten Quartalsstatistik
des BAROV, von dem ich Ihnen die begleitende Pressemitteilung
vom 05. Juni 2003 als
- Anlage 3 -
beifüge, auch um ggf. weitere Informationen über
das Internet einzuholen. Aus dem SPIEGEL-Artikel geht
hervor, daß bis heute nicht bekannt ist, wie
viele Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche
überhaupt zu bescheiden sind. Im Hinblick darauf,
daß das EALG inzwischen 9 Jahre alt ist, ist
das eine behördliche Fehlleistung allererster
Ordnung. Gegenwärtig geht das BAROV von 495.000
“bekannten” Entschädigungsansprüchen
aus. Das bedeutet, daß es eine Dunkelziffer
von bisher nicht erfaßten weiteren Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsansprüchen gibt. Der SPIEGEL-Artikel
schätzt die Gesamtzahl der Ansprüche auf
600.000. Von den erfaßten 495.000 Anträgen
auf Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen
sollen nach der letzten BAROV-Veröffentlichung
von Juni d.J. 170.000 beschieden sein (nach dem SPIEGEL-Artikel
sind es erst 126.000). Es ist demnach erst ein Bruchteil
der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche
überhaupt beschieden; nur in ca. 30.000 Fällen
sind schon Schuldverschreibungen zugeteilt worden!
Daß nach der Pressemitteilung
des BAROV 495.000 Anträge “in die Bearbeitung”
genommen seien, ist der reine Euphemismus. Die “Bearbeitung”
beschränkt sich in den allermeisten Fällen
darauf, daß den Anträgen auf Entschädigungs-
/ Ausgleichsleistungen ein Aktenzeichen zugeordnet
wurde.
4. Entschädigungsrechtsänderungsgesetz
Aus dem SPIEGEL-Artikel geht hervor, daß das
System der Schuldverschreibungen, aufgrund derer die
EALG-Entschädigungen und Ausgleichsleistungen
gewährt werden sollen, offenbar vor dem Kollaps
steht. Aus diesem Grunde soll nach dem Entschädigungsrechtsänderungsgesetz,
das sich gegenwärtig im Gesetzgebungsverfahren
befindet, die Zuteilung von Schuldverschreibungen
durch Barauszahlungen ersetzt werden. Dabei droht
es offenbar zu Problemen zwischen denjenigen zu kommen,
die nach Inkrafttreten des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes
Barauszahlungen zu gewärtigen haben und denen,
die zunächst unter der alten Regelung Schuldverschreibungen
erhielten.
Eine weitere wesentliche Änderung
des Entschädigungsgesetzes betrifft die Verzinsung
von Entschädigungs- / Ausgleichsleistungen. Für
die Zeit bis zum 01. Januar 2004 werden Entschädigungs-
/ Ausgleichsleistungsansprüche bekanntlich überhaupt
nicht verzinst. Danach sollte ein Zinssatz von 6 %
gelten. Der Geltungszeitraum von 6 % soll durch das
Entschädigungsrechtsänderungsgesetz nun
auf vier Jahre beschränkt werden. Für die
Zeit ab 01. Januar 2008 sollen nur noch 4 % Zinsen
gezahlt werden.
Im Hinblick auf die schleppende
Bearbeitung der Entschädigungs- / Ausgleichsleistungsansprüche
ist das ein Unding. Ein Zinssatz von 4 % ist in keiner
Weise akzeptabel. Der Zinssatz von 6 % war von uns
Geschädigten als ein gewisser, wenn auch in keiner
Weise ausreichender Ausgleich dafür betrachtet
worden, daß für die Zeit ab Inkrafttreten
des EALG am 01. Dezember 1994 bis zum 01. Januar 2004,
also über einen Zeitraum von mehr als neun Jahren,
überhaupt keine Verzinsung vorgesehen ist. Die
Rückführung des Zinssatzes bedeutet, daß
die öffentliche Hand für die schleppende
Bearbeitung der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche
durch die Vermögensämter noch belohnt werden
soll.
Das EALG sah vor, daß die
Entschädigungs- / Ausgleichsleistungsansprüche
im wesentlichen im Jahre 2003 beschieden sein sollten.
Denn nach der Schuldverschreibungsverordnung sollte
die erste Auslosung - wohlgemerkt für alle Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsansprüche - spätestens
drei Monate vor dem ersten Auszahlungstermin geschehen.
Das wäre also der 30. September 2003. Wie aus
dem SPIEGEL-Artikel hervorgeht, sind bis heute aber
erst ca. 10 % der Entschädigungs- / Ausgleichsleistungsanträge
beschieden.
Am 18. September 2003 wird eine
Sitzung des Beirates beim BAROV stattfinden. Ich habe
im Vorfeld der Sitzung beantragt, das Entschädigungsrechtsänderungsgesetz
auf die Tagesordnung zu nehmen. Dem Antrag ist entsprochen
worden. Ich werde gegen die Herabsetzung des Zinssatzes
und die schleppende Bearbeitung der Anträge protestieren
und, soweit es in meinen Kräften steht, auf eine
Beschleunigung der Verfahren und einen Beibehalt der
Verzinsung von 6 % dringen. Da an der Beiratssitzung
auch maßgebende Beamte aus dem Bundesfinanzministerium
teilnehmen, wird mein Protest dort jedenfalls ankommen.
5. Rückforderung
von Lastenausgleich - hier: Kriegsschadenrente
Wegen der Rückforderung von Kriegsschadenrente
ist zwischenzeitlich ein Musterprozeß beim BVerwG
anhängig, in dem ich vertrete. Über den
Fortgang werde ich unterrichten.
6. Einzelheiten Vermögensrückgabe
/ Entschädigung
a) Als
- Anlage 4 -
füge ich eine Entscheidung des BVerwG vom 24. Oktober
2002, VIZ 03, S. 286 bei.
Nach dieser Entscheidung lebt
der Restitutionsanspruch wieder auf, wenn die öffentliche
Zweckbestimmung des konfiszierten Vermögensgegenstandes
entfällt. Entsprechend muß, wenn investiv
veräußert wurde, der Erlös ausgekehrt
werden. Die Rechtslage ist hier also bedeutend günstiger,
wie wenn nur Entschädigung verlangt werden kann.
b) Noch einmal aufmerksam machen
darf ich darauf, daß zu dem m.E. verfassungswidrigen
Faktor 1,5 für Betriebsgrundstücke nach
§ 4 EntschG noch keine Entscheidung des BVerfG
vorliegt. Im Rahmen der EALG-Beschwerde der IOB war
dieser Faktor gerügt worden; das BVerfG hat hierüber
in seinem Urteil vom 22. November 2000 aber noch nicht
in der Sache entschieden.
7. Verschiedenes
a) Als
- Anlage 5 -
füge ich einen interessanten Artikel von Karl Feldmeyer
aus der FAZ vom 20. Juni 2003 über das Kloster
Ilsenburg bei.
b) Im letzten Rundschreiben hatte
ich über den Plan von Herrn Schmidt-Prestin für
ein Denkmal zugunsten der Opfer der kommunistischen
Gewaltherrschaft berichtet. Ein entsprechendes Vorhaben
gibt es bereits für Jena. Hierüber berichtete
die FAZ am 17. Juni 2003.
- Anlage 6 -
Das Jenaer Projekt ist auch schon weit gediehen; insbesondere
steht die Finanzierung. Allerdings gibt es in Jena politische
Widerstände, die denen ähneln, die gegen das
vom Bund der Vertriebenen geplante Zentrum gegen die
Vertreibungen in Berlin gerichtet sind. Es ist nichts
weniger als übel, daß man den Opfern der
kommunistischen Gewaltherrschaft nicht einmal ein Denkmal
gönnt, das privat finanziert werden soll!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rosenberger
Vorsitzender