IOB
   Interessengemeinschaft der in der Zone enteigneten Betriebe e.V.

 
 

Rundschreiben vom 11. März 2005

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,

im Anschluss an das Rundschreiben vom 14. Dezember 2004 informiere ich wie folgt:

1. Jahresversammlung 2005

Die Jahresversammlung ist für Freitag, den 03. Juni 2005, 11:00 Uhr vorgesehen. Der Vorstand hat in seiner Sitzung vom 18. Februar 2005 dieses späte Datum beschlossen, um sicherzustellen, dass bis dahin die Entscheidung des EGMR zu den Beschwerden wegen zu niedriger Entschädigungs-/Ausgleichsleistungen vorliegt. Im übrigen können Herr Dr. Märker und ich am 03. Juni 2005 aktuell über die Beiratssitzung beim BARoV vom 02. Juni 2005 berichten.

Bitte merken Sie sich das Datum vor! Es ergeht noch eine gesonderte Einladung.

2. Beschwerden zum EGMR wegen zu niedriger Entschädigungs-/Ausgleichsleistungen

Von Straßburg hört man, dass im April d.J. entschieden werden soll.

3. Beschwerden zum EGMR wegen des sogenannten Bodenreform-Eigentums

Hier fand am 26. Januar 2005 die Verhandlung vor der Großen Kammer statt. Mit einer Entscheidung ist im Frühsommer d.J. zu rechnen.

Prozesse in Nachfolgesachen sind bisher sämtlich negativ entschieden worden, vgl. schon mein Rundschreiben vom 14. Dezember 2004 sub. 4. Zuletzt beriefen sich die Gerichte darauf, daß im Hinblick auf die Beschwerde der Bundes-regierung und die angerufene Große Kammer noch keine endgültige Straßburger Entscheidung vorliege, nur eine endgültige Entscheidung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention von den deutschen Behörden und Gerichten aber zu beachten sei. Diese Auffassung scheint mir mit der ebenfalls im Rundschreiben vom 14. Dezember 2004 besprochenen Entscheidung des BVerfG vom 14. Oktober 2004 nicht vereinbar.

4. „Unwürdigkeitsklausel" des § 1 Abs. 4 AusglLeistG

Ich bin mit einer umfangreichen Arbeit zu dieser Bestimmung befasst, die voraussichtlich als Buch, in jedem Falle aber als Denkschrift erscheinen wird. Ich werde Ihnen die Arbeit auf der Jahresversammlung vorstellen. Die „Unwürdig-keits--klausel", von der zahlreiche Mitglieder und Mitglieder-Firmen der IOB im Hin-blick auf die extensive Prüfungstätigkeit der Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen und deren häufig negative Entscheidungen betroffen sind, wird auch Tagesordnungspunkt der Jahresversammlung sein.

Einige für unsere Mitglieder wichtige Ergebnisse meiner Arbeit darf ich an dieser Stelle bereits mitteilen:

a) Von den Wiedergutmachungsgesetzen, die eine Ausschlussklausel haben, enthält § 1 Abs. 4 AusglLeistG die schärfste und weitestgehende Bestimmung, was die Berücksichtigung von Fehlverhalten während der NS-Zeit und unter dem kommunistischen Regime anbetrifft.

b) Soweit § 1 Abs. 4 AusglLeistG nationalsozialistisches Unrecht im Auge hat, ist die Vorschrift im Wiedergutmachungsrecht systemwidrig, weil die Opfer und ihre Rechtsnachfolger für etwas verantwortlich gemacht werden, das mit dem Schädigungstatbestand nicht im Zusammenhang steht.

c) Eine weitere Systemwidrigkeit besteht darin, daß in § 1 Abs. 4 AusglLeistG Ausschlüsse für Leistungen vorgesehen sind, um die die öffentliche Hand ungerechtfertigt bereichert ist. In anderen Wiedergutmachungsgesetzen, in denen die öffentliche Hand um das Vermögen bereichert ist, wegen dessen Verlust die Wiedergutmachung erfolgt, fehlen entsprechende Klauseln.

d) Die Beschäftigung von Kriegsgefangenen in der Rüstungsindustrie und von Zwangs-arbeitern war weder nach dem Statut des Internationalen Militär-gerichtshofs in Nürnberg, noch nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10, noch nach der Kontrollratsdirektive Nr. 38 unter Strafe gestellt. Darin liegt kein Verstoß gegen die Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit.

e) Der Begriff des „erheblichen Vorschubleistens" setzt voraus, daß den Un-rechts-taten und Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Vorschub geleistet wurde. Das dürfte nur selten der Fall gewesen sein. Die Führung eines Rüstungsunternehmens bedeutete kein Vorschubleisten zugunsten der NS-Herrschaft.

f) Der dritte Tatbestand des § 1 Abs. 4 AusglLeistG „Mißbrauch der Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer" hat nur in der ersten Alternative: „Mißbrauch der Stellung zum eigenen Vorteil" Bedeutung. Hier können - im Sinne einer notwendigen Einschränkung des Regelungsumfangs - nur Sachverhalte den Ausschluß von Ausgleichsleistungen rechtfertigen, die unter § 359 LAG zu subsumieren wären: also Sachverhalte, in denen arisiertes Vermögen beschlagnahmt oder günstig angekauft wurde o.ä. Die Führung eines Rüstungsunternehmens erfüllt den Tatbestand auch dann nicht, wenn während des Krieges zusätzliche Umsätze und Gewinne erzielt wurden.

Die Bestimmung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG ist in dem Umfang, in dem die Bestimmung angewandt wird, für Ausgleichsleistungsansprüche von ganz erheblicher Bedeutung geworden. Diese Bedeutung wird noch wachsen, sollte Straßburg uns Enteigneten recht geben und die Bundesrepublik anweisen, höhere Entschädigungen/Ausgleichsleistungen zu gewähren als nach dem EALG vorgesehen. Denn mit der extensiven Anwendung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG will die Verwaltung die Ausgleichsleistungen mit dem Ziel minimieren, den Staats-haushalt zu schonen.

5. Buchveröffentlichungen

a) Frau Margarethe von Schnehen hat ein Buch zu den Agrarenteignungen in der SBZ mit dem Titel „Im Strom der Zeit" geschrieben. Dieses Buch wurde von dem jüngst bei der FAZ ausgeschiedenen Redakteur Karl Feldmeyer be-sprochen; die Besprechung füge ich als

- Anlage 1 -

bei. Das Buch kann bei der Verfasserin, Frau Margarethe von Schnehen, 37133 Friedland, Telefax-Nr. 05504 / 94 99 540 bestellt werden.

b) Diesem Rundschreiben liegt bei ein Prospekt des C. A. Starke Verlages für die Schicksalsbücher I und II des sächsisch-thüringischen Adels. Inhaber des C. A. Starke Verlages ist unser langjähriger Schatzmeister Hans Jürgen Kretzschmer.

6. steuerliche Behandlung von vergeblichen Aufwendungen für Prozesse zwecks Restitution

a) Nach einer Entscheidung des FG Berlin, 9 K 9338/99 vom 15. Juli 2002 werden Aufwendungen im Zusammenhang mit der Rückübertragung eines Miet--wohngrundstücks nicht als vorweggenommene Werbungskosten, sondern als Anschaffungskosten gewertet. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; die Revision zum BFH wurde zugelassen.

b) Aufwendungen im Zusammenhang mit der Restitution (Prozeß-, Anwaltskosten u.a.) können dann als Werbungskosten abgesetzt werden, wenn es zu einer Restitution kommt.
Kommt es hingegen zu keiner Restitution, sollen nach einer Entscheidung des FG Hamburg die Aufwendungen nicht als Werbungskosten absetzbar sein. Die Hamburger Entscheidung ist ebenfalls noch nicht rechtskräftig; Revision ist eingelegt.

7. strafrechtliche/verwaltungsrechtliche Rehabilitierung

a) Die Fristen für die Anträge bezüglich verwaltungsrechtlicher, berufs-rechtlicher und strafrechtlicher Rehabilitierung sind bis zum 31. Dezember 2007 verlängert.

Anträge auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung wegen der Enteignungen in der SBZ zwischen 1945 und 1949 sollten ausgesetzt und wenn, dann gegen Ende der zum 31. Dezember 2007 gesetzten Frist gestellt werden. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung (1 BvR 834/02 vom 04. Juli 2003) § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG schließt die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für zwischen 1945 und 1949 Enteignete aus.

Gegen die Entscheidung des BVerfG ist Menschenrechtsbeschwerde eingelegt; die Menschenrechtsbeschwerde wurde der Bundesregierung zugestellt. Die Beschwerdeführer folgern daraus, daß der Europäische Gerichtshof die Menschenrechtsbeschwerde für zulässig erachtet und „angenommen" hat. Es erscheint sinnvoll, zunächst abzuwarten, welches Ergebnis die Menschenrechtsbeschwerde hat. Nach der gegenwärtigen Rechtslage in der Bundes-republik ist mit Rücksicht auf die Entscheidung des BVerfG mit einem Unterliegen und nur mit Kosten zu rechnen.

b) Enteignungen auf der Grundlage der Bodenreformbestimmungen und SMAD-Befehl Nr. 64 waren keine Strafrechtsmaßnahmen, sondern Verwaltungsmaßnahmen. Auf sie ist daher nach zwei Entscheidungen des OLG Dresden vom 27. und 29. April 2004, die ich als

- Anlage 2 -

beifüge, das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz nicht anwendbar (ebenso schon OLG Brandenburg vom 07. September 1995, VIZ 1995, S. 679).

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Enteignung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung geschah. In ca. 500 bis 600 Fällen wurde in der SBZ auch aufgrund von Kriminalurteilen deutscher Gerichte verurteilt; hier ist ein Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung sinnvoll und erfolgversprechend.

c) Beachten Sie bitte: Sowohl das VwRehaG wie das StrRehaG haben eine dem § 1 Abs. 4 AusglLeistG entsprechende Ausschlußklausel!

8. Verschiedenes

a) Als

- Anlage 3 -

ist beigefügt ein Artikel aus der FAZ vom 08. Dezember 2004 zu den Menschenrechtsklagen in den USA. Wie Sie dem Artikel bitte entnehmen wollen, wird die amerikanische Justiz zunehmend restriktiv gegenüber Schadensersatzprozessen, die von Ausländern in Amerika geführt werden. Wie bereits in früheren Rundschreiben mitgeteilt, erscheint es aussichtslos, vor amerikanischen Gerichten wegen der deutschen Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage die Bundesrepublik Deutschland zu verklagen.

Die amerikanische Haltung zu dem Problem ist reserviert. Für die IOB habe ich am 05. März 2005 die Jahresversammlung der AfA in Hannover besucht. Herr Erimar von der Osten, Vorstandsmitglied der AfA und amerikanischer Staatsbürger, berichtete, daß er Condoleeza Rice und andere Politiker in Amerika schon auf das Problem angesprochen habe. Man sei dort aber der Auffassung, es handele sich nur um eine innerdeutsche Angelegenheit.

b) Unser Postscheckkonto ist aufgelöst. Bitte zahlen Sie Ihre Mitgliedsbeiträge und etwaige Spenden nicht mehr auf das Postscheckkonto, sondern nurmehr auf das Konto bei der Sparkasse Bonn Nr. 2 252 773 (BLZ 380 500 00)!

c) Frau Margarethe von Schnehen (Fax-Nr. unter 5. a) beabsichtigt ein weiteres Buch zu schreiben über den vertriebenen Mittelstand in der SBZ. Soweit Sie selbst von der Enteignung zwischen 1945 und 1949 noch betroffen waren und eigene Erinnerungen haben, wenden Sie sich bitte an Frau Margarethe von Schnehen, die für die Beschreibung eines jeden Einzelschicksals dankbar ist.

d) Die politische Arbeit, auch durch Kontakt zum eigenen CDU- oder FDP-Bundes-tagsabgeordneten, kann Früchte tragen. Folgender Sachverhalt:

Es soll beabsichtigt sein, die noch bei der BVVG vorhandenen landwirt-schaftlichen Flächen auf die jeweiligen neuen Bundesländer zu übertragen. Federführend dafür ist beim Landwirtschaftsministerium der Staatssekretär Berling.

Eine Übertragung der landwirtschaftlichen Flächen von der BVVG auf die neuen Bundesländer würde nach Meinung vieler zur Folge haben, daß Restitutionen, wenn sie nach der Straßburger Entscheidung infrage kommen, nicht mehr durchgeführt werden können.

Diese Frage hat unser Mitglied Franz F. Edeling aufgegriffen und dieserhalb an „seinen" Bundestagsabgeordneten Werner Lensing geschrieben. Dieser hat daraufhin für die Fragestunde am 09. März 2005 die als

- Anlage 4 -

beigefügte mündliche Frage an die Bundesregierung formuliert, anhand derer die Übertragung der landwirtschaftlichen Flächen an die ostdeutschen Länder sicherlich problematisiert werden wird.


Für heute darf ich schließen. Ich würde mich freuen, möglichst viele von Ihnen auf der Jahresversammlung am 03. Juni 2005 begrüßen zu können.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rosenberger
Vorsitzender

 
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