Sehr
geehrte Damen und Herren,
turnusmäßig
berichte ich wie folgt:
1. strafrechtliche
Rehabilitierung
Ich wiederhole noch einmal, wie schon im Rundschreiben
vom 27.09.2007: Die Fristen für die Anträge
nach den Rehabilitierungsgesetzen, also auch nach
dem StRehaG, sind verlängert bis zum 31. Dezember
2011. Demgemäß ist gegenwärtig nichts
zu veranlassen. Die Rechtsprechung zur strafrechtlichen
Rehabilitierung kann abgewartet werden.
Das
LG Magdeburg hat in einer Entscheidung vom 03.01.2007
(Az. Reh 5642/06 und 5643/06) entschieden, daß
auch Verwaltungsbehörden im Rahmen der Bodenreform,
soweit es um Vermögenszugriffe ging, Strafkompetenzen
wahrgenommen haben können. Aus dieser Entscheidung,
die vom OLG Naumburg bestätigt wurde, kann gefolgert
werden, daß die verwaltungsmäßig
durchgeführten Enteignungen im Zuge der Bodenreform,
namentlich auch die Industrie- und Gewerbeenteignungen,
der strafrechtlichen Rehabilitierung fähig sind.
Ich
gehe davon aus, daß Herr Dr. Wasmuth die Entscheidung
des LG Magdeburg in seinen Pilotprozessen aufgreifen
wird.
2. Unwürdigkeitsklausel
Nachdem das BVerwG am 28.02.2007 entschieden hat,
daß die Beschäftigung von Kriegsgefangenen
und Zwangsarbeitern grundsätzlich den Anwendungsbereich
des § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht eröffnet,
ist festzustellen, daß eine Beschleunigung der
anhängigen Verfahren eingetreten ist.
BMF
und BADV haben die GAH (Gemeinsame Arbeitshilfe für
die ostdeutschen Länder) teilweise geändert.
Bei der GAH handelt es sich um Verwaltungsrichtlinien
zur Umsetzung des EALG. Nach der GAH soll die Beschäftigung
von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern nur noch
dann für die Anwendung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG
erheblich sein, wenn erschwerende Umstände hinzukommen.
Dazu sollen gehören:
·
menschenunwürdige/rechtswidrige Behandlung
·
menschenunwürdige/rechtswidrige Unterbringung
in firmeneigenen Lagern
·
gezielte Denunziation an die Arbeitseinsatzbehörden/Gestapo
·
wenn das Unternehmen an der Rekrutierung der Kriegsgefangenen
und Zwangsarbeiter beteiligt war.
In
meinem Buch „Unwürdigkeit im Recht der
offenen Vermögensfragen“ hatte ich ausgeführt,
daß die extensive Anwendung der „Unwürdigkeitsklausel“
bei der Zu- bzw. Aberkennung von Ausgleichsleistungsansprüchen
vor allem fiskalische Gründe hat. Nach dem Wirtschaftsplan
für das EALG („Unwürdigkeit“,
Rn. 19 ff) waren für den Entschädigungsfonds
insgesamt DM 18,1 Mia. veranschlagt. Diesen Gesamtrahmen
für die Kosten des Entschädigungsfonds möchte
das BMF und das von ihm weisungsabhängige BADV
einhalten.
Aus
dem Entschädigungsfonds werden nicht nur Leistungen
nach dem EntschG und dem AusglLeistG erfüllt.
Vielmehr dient der Entschädigungsfonds auch der
Befriedigung von Ansprüchen nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz
und dem
NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz.
Für die Leistungen nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz
waren DM 3,4 Mia. veranschlagt, für die Leistungen
nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz DM
2,0 Mia.
In
meinem Buch hatte ich dargelegt, daß die Leistungen
nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz erheblich umfangreicher
geworden sind als die veranschlagten DM 3,4 Mia. Der
Bund hat hier rund DM 5,1 Mia. Leistungen ausschütten
müssen („Unwürdigkeit“, Rn.
486). Auf der letzten Beiratssitzung des BADV informierte
Dr. Rodenbach weiter dahin, daß auch die Entschädigungen
nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz den
veranschlagten Rahmen von DM 2 Mia. sprengen würden.
Bereits zur Zeit der Beiratssitzung, also am 21.06.2007,
seien Leistungen nach dem
NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz von DM 2 Mia.
erbracht worden.
Anders
als die Leistungen nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz
sind die Leistungen nach dem NS-Verfolgten-Entschädigungsgesetz
noch lange nicht erfüllt. Nach der letzten Halbjahresstatistik
des BADV per 30.06.2007 sind von diesen Entschädigungsansprüchen
gerade erst 28,15 % abgearbeitet. Das bedeutet: Statt
mit DM 2 Mia. ist mit Entschädigungen nach dem
NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz in Höhe
von DM 8 Mia. zu rechnen.
Dr.
Rodenbach ließ auf der letzten Beiratssitzung
durchblicken, daß die Unwürdigkeitsklausel
ein Vehikel sei, um die veranschlagten Entschädigungen
und Ausgleichsleistungen nach dem EntschG und AusglLeistG
zu minimieren und dadurch den Entschädigungsfonds
zu entlasten, der andererseits durch die Vertriebenenzuwendungen
und die Leistungen nach dem
NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz mehr als veranschlagt
in Anspruch genommen werde.
Sie
mögen daran ersehen, wie die fiskalische Denke
im Grunde die Diskussion um die Unwürdigkeitsklausel
beherrscht und was also von der ganzen „Würdigkeitsprüfung“
durch die Vermögensämter zu halten ist.
Was hier geschieht, hat mit ordnungsgemäßer
Verwaltung und rechtsstaatlichem Gewissen nur bedingt
etwas zu tun. Schon die ganze Konstruktion, Entschädigungen
und Ausgleichsleistungen einerseits und NS-Verfolgtenentschädigungen
und Vertriebenenzuwendungen andererseits in einen
gemeinsamen Topf zu tun und hierfür insgesamt
einen finanziellen Rahmen in einem gemeinsamen Wirtschaftsplan
abzustecken, bekommt einen ganz eigentümlichen
haut goût vor dem Hintergrund, wie nunmehr von
der Verwaltung jongliert wird, um dem gesteckten finanziellen
Rahmen einzuhalten.
3. Änderung
des AusglLeistG
Nach dem mir jetzt vorliegenden Entwurf soll der begünstigte
Flächenerwerb nach den §§ 3 und 4 AusglLeistG
geändert werden. Im einzelnen:
a)
Zwischen 80.000 und 125.000 ha sollen dem Naturschutz
unterworfen und nicht mehr privatisiert werden.
b)
Die Erwerbsberechtigung nach den §§ 3 und
4 AusglLeistG wird in den Fällen des Abschlusses
oder der Verlängerung von langfristigen Pachtverträgen
nach dem 01.01.2007 ausgeschlossen.
c)
Die Anforderungen an die Ortsansässigkeit werden
gelockert.
d)
Die Möglichkeiten des Walderwerbs nach §
3 AusglLeistG werden gestrichen.
e)
Der Beirat (auch für den begünstigten Flächenerwerb
gibt es einen – bei der BVVG angesiedelten –
Beirat) wird abgeschafft.
4. Rechtsprechung
a) Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 13.12.2006
(Az. 8 C 25.05) betont, daß der Befehl Nr. 64
der SMAD vom 17.04.1948 ein Enteignungsverbot enthalte.
Nach Nr. 5 dieses Befehls sollten nach Befehl Nr.
124 sequestrierte Unternehmen nicht mehr enteignet
werden.
In
einer weiteren Entscheidung vom 07.03.2007 hat das
BVerwG (Az. 8 C 28.05) entschieden, daß es auch
in bisher nicht bekannten SMAD-Befehlen Enteignungsverbote
geben kann, die zu beachten sind.
Entsprechende
Enteignungsverbote haben zum Ergebnis, daß,
wenn gleichwohl enteignet wurde, diese Enteignungen
nicht mehr auf sogenannter besatzungsrechtlicher bzw.
besatzungshoheitlicher Grundlage zu gelten haben.
Wurde also, um den wichtigsten Fall noch einmal anzusprechen,
nach dem 17.04.1948, dem Inkrafttreten des SMAD-Befehls
Nr. 64, noch ein Unternehmen sequestriert oder gar
enteignet, fehlt es an einer Enteignung auf sogenannter
besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher
Grundlage mit der Folge, daß der enteignete
Vermögenswert zurückzugeben ist.
Von
einem IOB-Mitglied, Herrn Eberhard Hoffmann, habe
ich hierzu ein höchst instruktives Schreiben
erhalten. Hieraus geht hervor, daß die SBZ-Behörden
Nr. 5 des SMAD-Befehls Nr. 64 auch so interpretiert
haben. Dieses Schreiben, gerichtet an einen Herrn
Max Rubin und datierend vom 29.04.1948, füge
ich als
- Anlage 1 -
bei.
b)
Nach einer schon länger vorliegenden Entscheidung
des BVerwG (vom 16.09.2004, Az. 3 C 42.03) mindern
zu Reparationszwecken demontierte Wirtschaftsgüter
das Reinvermögen eines Unternehmens gemäß
der letzten Bilanz. Das heißt also, daß
Unternehmen, die der Demontage unterlagen, dieserhalb
geringer bewertet werden als in der letzten Bilanz
vor der Enteignung.
Die
Bewertung der Demontagen wird allerdings in der Regel
Schwierigkeiten machen. Diese Schwierigkeiten haben
die (Landes-)Vermögensämter, die insoweit
häufig im Dunkeln tappen.
In
seinem Urteil vom 16.09.2004 hat das BVerwG außerdem
entschieden, daß nur solche Demontagen zur Minderung
der Bemessungsgrundlage führen können, die
vor der Enteignung geschahen. Denn Demontagen aus
der Zeit nach der Enteignung trafen den enteigneten
Berechtigten nicht mehr.
Dieser
Teil der Entscheidung des BVerwG gibt Argumentationsspielraum
an die Hand. Will die Verwaltung Demontagen berücksichtigen,
muß sie nicht nur den durch die Demontagen veranlaßten
Minderwert des Unternehmens nachweisen. Sie muß
obendrein nachweisen, daß die Demontagen vor
und nicht nach der Enteignung stattgefunden haben.
c)
§ 121 SachenRÄndG enthält nach Meinung
vieler Kommentatoren zu Lasten der Eigentümer
enteignungsgleiche Eingriffe durch die die jeweiligen
Nutzer begünstigt wurden. Auf der Beiratssitzung
am 21.06.2007 informierte Herr Dr. Rodenbach, daß
der EGMR in einer Entscheidung – sie liegt mir
noch nicht vor – § 121 SachenRÄndG
abgesegnet habe mit der Begründung, die Bestimmung
habe keine rechtsstaatlichen Defizite.
d)
Nach einer Entscheidung des BVerwG vom 19.10.2006
(3 C 35.05) sind die Privatkonten von Kommanditisten
einer KG bei der Ermittlung der „Nennbeträge“
nach § 2 Abs. 6 AusglLeistG jedenfalls dann zu
berücksichtigen, wenn sie in die Berechnung des
als Bemessungsgrundlage heranzuziehenden Einheitswertes
oder Ersatzeinheitswertes eingeflossen sind.
Das
bedeutet also: Haben Kommanditisten einer KG Privatkonten
gehabt, so können die Privatkonten den Anteil
der Kommanditisten an der KG erhöhen mit der
Folge, daß die Ausgleichsleistungen höher
ausfallen, als nach der quotenmäßigen Beteiligung
der Kommanditisten sonst zu gewärtigen wäre.
Andererseits können sich die Ausgleichsleistungsansprüche
anderer Kommanditisten, die keine oder gering valutierende
Privatkonten hatten, unter die buchmäßige
Quote der Beteiligung vermindern. Derartige Fälle
sind bei größeren KGs nicht selten!
5. Buchempfehlungen
a) Die FAZ hat in ihrer Ausgabe vom 11.12.2007 von
Herrn Karl Wilhelm Fricke (nicht zu verwechseln mit
unserem ehemaligen Vorstandsmitglied Dr. Weddig Fricke)
ein Buch von Jan Philip Spannuth: Rückerstattung
Ost. Der Umgang der DDR mit dem „arisierten“
Eigentum der Juden und die Rückerstattung im
wiedervereinigten Deutschland. beschreiben lassen.
Die Beschreibung ist als
-
Anlage 2 -
beigefügt.
Das Buch erscheint lesenswert.
b)
Im Bouvier-Verlag ist eine Biographie des Widerstandskämpfers
Philipp von Boeselager, geschrieben von Antonius John
erschienen. Ein Werbeblatt des Bouvier-Verlages füge
ich als
-
Anlage 3 -
bei.
Philipp
von Boeselager ist nicht nur ein wichtiger Zeitzeuge
des Widerstandes gegen Hitler, sondern in den letzten
Jahren auch immer wieder hervorgetreten mit der Anklage,
die Verweigerung der Restitution für zwischen
1945 und 1949 enteignetes Vermögen sei großes
Unrecht.
6. Verschiedenes
a) Das Buch „Wahrheit und Recht“ von Dr.
Madaus, von dem ich Ihnen im letzten Rundschreiben
eine Kurzfassung übersandt hatte, ist von zahlreichen
Personen und in mehreren Publikationen besprochen
worden. Diese Besprechungen füge ich als
-
Anlage 4 -
bei.
b)
Die Halbjahresstatistiken des BADV geben keine Auskunft
mehr darüber, in welchem Umfang Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsansprüche gegenwärtig
erfüllt sind. Es gibt jedoch, und sie kann man
beim BADV abfordern, aktuelle Aufstellungen über
die Einnahmen und Ausgaben des Entschädigungsfonds.
Aus einem Status per 31.12.2006 ergibt sich, daß
seinerzeit erst € 0,888 Mia. (von geschätzten
€ 6,44 Mia.) an Entschädigungen und Ausgleichsleistungen
gewährt worden sind. Das läßt –
leider – erwarten, daß wir mit dem EALG
noch längere Zeit beschäftigt bleiben.
Für
heute darf ich schließen. Ich wünsche Ihnen
ein fröhliches Weihnachtsfest und einen besinnlichen
Jahresausklang.
Ihr
Dr.
Rosenberger
Vorsitzender