IOB
   Interessengemeinschaft der in der Zone enteigneten Betriebe e.V.

 
 

Rundschreiben vom 18. Juni 2009

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,

turnusmäßig berichte ich wie folgt:

1. Jahresversammlung der IOB am 24. April 2009
a) Wie von vielen Teilnehmern an der Jahresversammlung gewünscht, übersende ich Ihnen anliegend eine Kurzfassung meines Vortrages: 20 Jahre Mauerfall – 20 Jahre „Wiedergut-machung“ als

- Anlage 1 -.

b) zu TOP 9: Es wurde beschlossen, keine Anzeige in der FAZ oder einer sonstigen größeren Tageszeitung zu veröffentlichen. Der Grund sind die Kosten, die ganz erheblich sind und die Reserven der IOB aufbrauchen würden.

Stattdessen soll die Internetseite der IOB auf den neuesten Stand gebracht werden. Auch die Links auf der Internetseite sollen überarbeitet werden.

Über die sonstigen Beschlüsse der Jahresversammlung werde ich Sie durch Übersendung des Protokolls informieren, das mir aber gegenwärtig noch nicht vorliegt.

Die Jahresversammlung fand in angenehmer und guter Atmosphäre statt.

2. sonstige Veranstaltungen aus Anlaß des Mauerfalls vor 20 Jahren
Es finden gegenwärtig land-auf-land-ab zahlreiche Veranstaltungen mit prominenten Zeitzeugen statt. Unser Vorstandsmitglied, Frau Fischer, hat in kurzer Zeit drei Veranstaltungen besucht, nämlich eine mit Hans Dietrich Genscher, eine mit dem seinerzeitigen Kanzleramtsminister Seite und eine mit dem seinerzeitigen Innenminister Dr. Schäuble. Ich gehe davon aus, daß Frau Fischer auf der nächsten Jahresversammlung ausführlich berichten wird.

Von der Veranstaltung mit Dr. Schäuble am 10. Juni 2009 hat Frau Fischer den Eindruck gewonnen, daß es sich bei ihm um einen hartnäckiger Überzeugungstäter handelt. So wie er sich in seinem Buch „Der Vertrag“ über die Enteigneten lustig gemacht hat – sie hätten doch nicht im Ernst erwarten dürfen, ihr so lange entzogenes Eigentum zurückzuhalten – so beanspruchte er auf seiner Vortragsveranstaltung in Bonn, für seine Verdienste, was die Regelung der offenen Vermögensfragen betrifft, mit einem Ehrendoktorhut ausgezeichnet zu werden.

An der Veranstaltung mit Hans Dietrich Genscher habe ich zusammen mit Frau Fischer teilgenommen. Mein Gedächtnisprotokoll zu den Punkten, die uns besonders berühren, füge ich als

- Anlage 2 -

bei.

Soweit in Ihrer näheren Umgebung ähnliche Veranstaltungen stattfinden, nehmen Sie bitte teil! Stellen Sie unangenehme Fragen!

3. FDP
Wie aus der Anlage 2 hervorgeht, hat die FDP die Wiedergutmachung für zwischen 1945 und 1949 Enteignete in ihr Programm für die Bundestagswahl aufgenommen. Die FDP möchte, mit welcher Koalition auch immer, er­reichen, daß den zwischen 1945 und 1949 Enteigneten Wiedergutmachung wie nach dem Mauergesetz widerfährt.

Dieser Programmpunkt der FDP ist sicherlich nicht unmaßgeblich von dem Kreis der „Göttinger Studenten“ beeinflußt, die stetig gedrängt und immer wieder an maßgebliche Mitglieder der FDP Eingaben versandt haben. Es ist allerdings auch an anderer Stelle gebohrt worden. Ich hatte im April im Anschluß an einen Gerichtstermin in Gera mit Frau Kögler und Herrn von Schlotheim in Jena zu Mittag gegessen. Herr von Schlotheim teilte mit und konnte mir das auch belegen, daß die Thüringer FDP als erster Landes­verband in den neuen Bundesländern ebenfalls schon die Forderung nach entsprechender Anwendung des Mauergesetzes auf die zwischen 1945 und 1949 Enteigneten erhoben hatte.

Sollte es der FDP gelingen, die Vorstellungen gemäß ihrem Parteiprogramm für die Bundestagswahl zu verwirklichen, wäre dies natürlich eine Riesen­geschichte. Ich fürchte allerdings, daß sich die FDP, sollte sie nach dem 27. September 2009 mitregieren, ihren Koalitionspartnern gegenüber kaum durchsetzen können wird.

4. Archivrecherchen
Einem auf der Jahresversammlung geäußerten Wunsch entsprechend gebe ich folgende Adressen und Telefon-Nummern maßgebender Archive bekannt, in denen wegen der Enteignungen recherchiert werden kann:

a) Bundesarchiv
Finckensteinallee 63
12205 Berlin

b) Archiv des Bundeslandes Berlin
Landesarchiv Berlin
Eichborndamm 115-121
13403 Berlin
Tel. 030 / 90264-0, Fax 030 / 90264-201

c) Archiv des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern
Landesarchiv Schwerin
Graf-Schack-Allee 2
19053 Schwerind)Archiv des Bundeslandes Sachsen-Anhalt
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt
Hegelstraße 25
39104 Magdeburg
Tel. 0391 / 5664-3, Fax 0391 / 5664-440e)Archiv des Bundeslandes Brandenburg
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Zum Windmühlenberg
14469 Potsdam
Tel. 0331 / 5674-0, Fax 0331 / 5674-212

f) Archiv des Bundeslandes Thüringen
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar
Marstallstraße 2
99423 Weimar
Tel. 03643 / 870154, Fax 03643 / 870187g)Archiv des Bundeslandes Sachsen
Sächsisches Staatsarchiv
Wilhelm-Buck-Straße 4
01097 Dresden
Tel. 0351 / 5643740, Fax 0351 / 5643739h)Staatliches Archiv der Russischen Föderation (SA RF)
119817, Moskva, GSP
ul. B. Pirogovskaja, 17

Erfahrungen in Archivrecherchen hat u.a. unser Mitglied Bernd Hallbauer, Leipziger Straße 62, 08056 Zwickau, Tel. 0375 / 2000 960, Fax 0375 / 2000 961. Herr Hallbauer hat sich insbesondere mit den Enteignungen in Sachsen befaßt und Archivunterlagen über die Listen A und B für den Volksentscheid in Sachsen durchforstet. In Sachsen gibt es viele Zweifelsfragen, ob bestimmte Betriebe auf der Liste A oder der Liste B erfaßt wurden. Hierzu vgl. u.a. das Schreiben der Antifaschistischen Parteien von Sachsen-West an Ministerialrat Falkenberg vom 02. Juli 1946

- Anlage 3 -.

Vielen von Ihnen wird auch bekannt sein, daß unser Mitglied Albrecht Kempe über Jahre hinweg seinen negativen Restitutionsbescheid mit der Begründung angefochten hat, es sei völlig unklar, ob das väterliche Unternehmen auf der Liste A oder der Liste B gestanden hat. Für Unternehmen in Sachsen erscheint es danach nicht ohne Erfolgsaussichten, Archivunterlagen darauf zu prüfen, ob die betreffende Enteignung auf sogenannter besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage stattgefunden hat oder vom Restitutionsausschluß des § 1 Abs. 8 a VermG nicht erfaßt ist.

5. Unwürdigkeitsklausel § 1 Abs. 4 AusglLeistG
Das BVerwG hat entschieden, daß die Position eines SS-Offiziers allein nicht ausreicht, um Unwürdigkeit i.S. des § 1 Abs. 4 AusglLeistG anzunehmen. Das BVerwG hatte diese Entscheidung getroffen im Falle eines SS-Untersturmführers, dessen Rang dem eines Leutnants der Wehrmacht entsprach.

Mir ist bekannt der Fall eines SS-Sturmbannführers (entspricht dem Rang eines Majors der Wehrmacht). Im Zuge der Konzentrierung aller mit Kriminalsachen befaßten Beamten in der SS ist dieser Mann in die SS übernommen worden, war dort aber nur zuständig für Sittlichkeitsdelikte u.ä. Das zuständige LARoV will, der Rechtsprechung des BVerwG folgend, Ausgleichsleistungen zusprechen und die Unwürdigkeitsklausel des § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht anwenden, stößt aber auf Widerstand des BADV, das weiter nach Umständen sucht, um die Unwürdigkeitsklausel doch noch anwenden zu können.

6. Flächenerwerbsänderungsgesetz
Das Gesetz wurde zwischenzeitlich verabschiedet. Neben der Ausweitung der BVVG-Flächen für den Naturschutz – geplant ist, daß einmal insgesamt 150.000 ha ehemals enteigneter Gebiete als Naturschutzfläche ausgewiesen sein sollen – enthält das Gesetz eine Reihe von Verbesserungen für den begünstigten Erwerb ehemals enteigneter forst- und landwirt-schaftlicher Flächen. Die wichtigsten Bestimmungen sind:

a) Verkürzung der Bindungsfristen von 20 auf 15 Jahre
Wer begünstigt erworben hat, braucht nur noch 15 statt bisher 20 Jahre lang die begünstigt erworbenen Flächen zu halten, bevor er verkauft.

b) Ortsansässigkeit
Auch bei Verheirateten ist nurmehr maßgebend die Ortsansässigkeit des Berechtigten. Hat der Berechtigte seinen ständigen Wohnsitz in den neuen Bundesländern, nicht aber die gesamte Familie, ist das ausreichend.

c) begünstigter Walderwerb nur noch für Alteigentümer
Künftig können nur noch Alteigentümer begünstigt Wald erwerben.

7.Verschiedenes
a) Die Stadt Weimar verleiht ständig einen Menschenrechtspreis. Dazu füge ich als

- Anlage 4 -

bei einen Ausdruck aus dem Internet.

Die Verleihung des Menschenrechtspreises durch die Stadt Weimar nahm unser Mitglied Helmut Knoch zum Anlaß, am 05. Januar 2009 den als

- Anlage 5 -

beigefügten Brief an die Stadt Weimar zu schreiben. Eine Reaktion steht noch aus.

b) Hedwig Bollhagen
Zu Hedwig Bollhagen füge ich einen Ausdruck aus Wikipedia als

- Anlage 6 -

bei.

Hedwig Bollhagen war in der DDR ein regelrechtes „Idol“. Sie hatte nach ihren Lehr- und Wanderjahren 1934 die Haël-Werkstätten für künstlerische Keramik im brandenburgischen Marwitz zusammen mit Heinrich Schild übernommen und führte sie als „HB-Werkstätten für Keramik“ weiter. Das besondere daran war: Bei den Haël-Werkstätten handelte es sich um jüdisches Eigentum.

Die HB-Werkstätten wurden 1992 an Hedwig Bollhagen restituiert. Der Fall ist deswegen besonders interessant, weil hier gegen den Widerstand der Jewish Claims Conference die Restitution eines zwischen 1933 und 1945 arisierten Betriebes an jemanden erfolgte, der, wenn nicht an der Arisierung beteiligt war, so jedenfalls von der Arisierung profitiert hatte. § 1 Abs. 6 VermG wurde durchbrochen!

Abschließend wünsche ich Ihnen einen regenarmen Sommer 2009 und, wenn Sie in Urlaub fahren, einen erholsamen Urlaub.


Mit den besten Grüßen

Dr. Rosenberger
Vorsitzender

 
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