IOB
   Interessengemeinschaft der in der Zone enteigneten Betriebe e.V.

 
 

Rundschreiben vom 22. September 2009

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,

turnusmäßig berichte ich wie folgt:

1. politische Situation
In einer Woche wird die Bundestagswahl stattgefunden haben. Es wird sich dann zeigen, ob die FDP mitregieren und eine Chance haben wird, zugunsten der Enteigneten Verbesserungen durchzusetzen. Chancen für eine Verbesserung sehe ich allerdings nur in einer Koalition der FDP mit der CDU/CSU.

2. Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen – BADV
Anstelle von Herrn Rodenbach hat nun ein Herr Schmidt im BMF die Rechtsaufsicht über das BADV. Herr Rodenbach ist im BMF für Personalfragen zuständig und nicht mehr mit den offenen Vermögensfragen befaßt.

Es gibt noch eine weitere personelle Änderung. Der bisherige Leiter des BADV, Dr. Kittke, wird zum Jahresende 2009 pensioniert. Über den Nachfolger ist noch nichts bekannt.

Auf der Beiratssitzung am 18.06.2009 berichtete Dr. Kittke, daß das BADV zahlreiche Beamte an das BMF hat abgeben müssen. Grund ist die Bankenkrise, deren Bewältigung speziell beim BMF zusätzliches Personal erfordert. Die an das BMF abgegebenen Beamten, so Dr. Kittke, seien nicht die schlechtesten gewesen. Neben diesen Beamten seien 10 weitere wichtige Beamte an das Bundesausgleichsamt abgegeben worden. Beim Bundesausgleichsamt sollen, ich hatte darüber schon informiert, nunmehr alle Verfahren wegen Rückforderung und Verrechnung von Lastenausgleich konzentriert werden.

Um den Personalentzug zu kompensieren, will das BADV ein Anwalts-Projekt durchführen. Rechtsanwälte mit eigener Praxis sollen mit der Erledigung von Entschädigungsbescheiden, insbesondere im Bereich des NS-Verfolgten­entschädigungsgesetzes beauftragt werden.

Zur Beschleunigung, so Dr. Kittke, ist weiter beabsichtigt, in der neuen Legislaturperiode ein Gesetz einzubringen, wonach die Verrechnung von Lastenausgleich bei der Bescheidung von Entschädigungs-/Ausgleichsleistungs­ansprüchen zurückgestellt werden kann. Man will Richtlinien entwickeln, in welchen Fällen die sofortige Verrechnung entfallen soll. Auf eine sofortige Verrechnung des Lastenausgleichs soll aber da nicht verzichtet werden, wo

a) Auslandsberührung vorhanden ist (Hier ist die Rückforderung erfahrungsgemäß mit besonderen Problemen verbunden, insbesondere wenn der Rückforderungsschuldner sich sperrt);

b) besonders hohe Ansprüche auf Entschädigungs-/Ausgleichsleistungen im Raum stehen.

3. Abarbeitung der Entschädigungs-/Ausgleichsleistungssachen
Das BADV meinte auf der Jahresversammlung am 18.06.2009, es bestehe ein Zeitfenster bis zum Jahre 2020 für die Abarbeitung der Entschädigungs-/Aus­gleichsleistungsansprüche. Folgende Zahlen für einzelne Länder wurden auf der Beiratssitzung am 18.06.2009 genannt:

Thüringen bis Ende 2016
Brandenburg bis Ende 2015
Mecklenburg-Vorpommern bis Ende 2010
Sachsen-Anhalt bis Ende 2015

Von den Ländern Brandenburg und Berlin gab es keine Stellungnahme. Im Hin­blick auf einen Kurzartikel in ZDF.de-Artikelseite, den ich als

- Anlage 1 -

beifüge, scheint Brandenburg besonders in Verzug zu sein. Das erklärt die Zurückhaltung des Brandenburger Vertreters auf der Beiratssitzung.
Ein besonderes Verzögerungspotential für die Abarbeitung der Entschädigungs-/ Ausgleichsleistungssachen liegt in der beschlossenen Konzentrierung der Lasten­ausgleichs-Verrechnung beim Bundesausgleichsamt. Ob die beabsichtigte Zurückstellung der Verrechnung (s.o. zu 2.) in den Fällen der IOB-Mitglieder zu einer Beschleunigung führt, wage ich zu bezweifeln.

Über die Langsamkeit der Bearbeitung von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungssachen wird in der Presse immer wieder einmal berichtet. Einen einschlägigen Bericht aus Focus online vom 05.04.2009 füge ich als

- Anlage 2 -

bei.

4. Verrechnung von Lastenausgleich
Hier habe ich beim AA Köln eine für zahlreiche Mitglieder der IOB bedeutsame Entscheidung erwirkt.

Nach § 1 Abs. 3 Ziff. 1 AusglLeistG gibt es keine Ausgleichsleistungen für Reparationsschäden. Wegnahmen durch die sowjetische Besatzungsmacht sind daher nach dem AusglLeistG nicht ausgleichsfähig. Das hat zum Ergebnis, daß die Ausgleichsleistungsbescheide, und das gilt insbesondere bei Firmenver­mögen der verarbeitenden Industrie, die Reparationsschäden herausrechnen. Dadurch wird die Bemessungsgrundlage geringer.

In der beim AA Köln durchgefochtenen Sache habe ich durchgesetzt, daß der zu verrechnende Lastenausgleich entsprechend gekürzt wurde.

In dem von mir betreuten Fall ergab sich dadurch eine Aufstockung der Ausgleichsleistungen um mehr als 200 %!

5. Unwürdigkeitsklausel in § 1 Abs. 4 AusglLeistG
Nach einer Entscheidung des BVerwG vom 26.02.2009 (ZOV 09, 195) spricht eine – widerlegbare – Vermutung für ein besonderes Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems, wenn jemand in nicht ganz untergeordneter Stellung bei der Gestapo tätig war. Nach Auffassung des BVerwG können die Ausgleichsleistungen versagt werden, auch wenn keine konkreten Vorschub-Handlungen des Betreffenden bekannt sind.

Die Entscheidung ist bedenklich und weicht von der bisherigen Entscheidungspraxis des BVerwG ab, wonach konkrete Handlungen nachgewiesen sein müssen.

6. Verschiedenes / Buchempfehlungen
a) Soweit der Vorrat reicht, habe ich diesem Rundschreiben Aufkleber beigefügt, die auf Veranlassung und Kosten von Dr. Madaus gedruckt wurden. Diese Aufkleber, die Zitate führender Vertreter der Parteien FDP, SPD und CSU zu den Enteignungen zwischen 1945 und 1949 enthalten, stelle ich anheim, an geeigneter Stelle zu verwenden.

b) Unser Mitglied Michael Kromarek hat ein Buch mit dem Titel „Sippenhaft – Das Erbe meines Vaters“ geschrieben. Einen Flyer zu diesem Buch füge ich anliegend bei.

Michael Kromarek, der sich im Buch Michael Winkler nennt, erzählt hier die Geschichte seines Vaters und seine eigene Geschichte. Ich darf das Buch sehr empfehlen. Wie Sie dem Flyer bitte entnehmen wollen, hat Herr Kromarek Interessantes zu berichten. Seine Vita ist ungewöhnlich: Als Jurist ausgebildet, war er zunächst Beamter, dann Unternehmer als Käufer des väterlichen Unternehmens und wurde schließlich zu dem, was er eigentlich immer sein wollte: Kunstmaler (mit ansprechenden Werken).

c) Empfehlen darf ich auch noch einmal das von Frau Margarete von Schnehen herausgegebene Buch „Im Strom der Zeit II“. Ich hatte auf das Buch bereits in einem früheren Rundschreiben aufmerksam gemacht. Das Buch enthält Beiträge mehrerer Unternehmer, auch Mitglieder der IOB, zu den Enteignungen 1945 bis 1949 und den Versuchen, das enteignete Vermögen zurückzuerhalten.

Das Buch ist unmittelbar über Frau von Schnehen (Klein Schneen, 37133 Friedland) zu beziehen.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rosenberger
Vorsitzender

 
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