IOB
   Interessengemeinschaft der in der Zone enteigneten Betriebe e.V.

 
 

Rundschreiben vom 23. September 2005

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,

turnusmäßig berichte ich - wegen der Bundestagswahl leicht verzögert - wie folgt:

1. politische Situation
Gleichgültig, zu was für einer Koalition sich die politischen Parteien zusammenraufen werden: Eine reine bürgerliche Koalition wird es nicht geben. Das bedeutet: Mit grundlegenden Änderungen zugunsten der in der SBZ/DDR Enteigneten ist nicht zu rechnen. Irgendeinen Bremser wird es in einer Koalitionsregierung, sei es mit der SPD, sei es mit den Grünen, immer geben. Abgesehen davon wird im Bundestag eine Mehrheit zugunsten einer Verbesserung ohnehin nicht zustande kommen. Der finanzielle Aspekt wird eine grundsätzliche Erhöhung der Entschädigungen/Ausgleichsleistungen zugunsten der Enteigneten verbieten.

Soweit hier in anderen Verbänden oder von interessierter Seite Hoffnungen geweckt werden, vermag der Vorstand der IOB dem nicht zu folgen.

Andererseits wird in Einzelfragen des EALG eine Verbesserung in Betracht kommen. Ich gehe davon aus, daß wir einen neuen Finanzminister bekommen und auch der bisher für die Enteigneten verantwortliche Staatssekretär Bley durch einen anderen Staatssekretär ersetzt werden wird. Sobald sich die Nebel nach Bildung einer neuen Koalitionsregierung und der Klärung der Personalfragen gelichtet haben werden, wird der Vorstand der IOB zu bestimmten Fragen Einfluß zu nehmen suchen. Dazu wird namentlich die Beendigung der extensiven Auslegung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG (Würdigkeitsprüfung) gehören. Nach meiner Überzeugung steht der Aufwand, der durch die Verwaltung mit der Würdigkeitsprüfung und der Abfassung von Bescheiden verbunden ist, die in extensiver Weise die Würdigkeit der Antragsteller diskutieren, in keinem Verhältnis zu den Einsparungen, die sich das BMF von negativen Ausgleichsleistungsbescheiden verspricht. Das ist doch sicher ein Argument!

2. Buch zur “Unwürdigkeit”
Wie schon auf der Jahresversammlung und im Rundschreiben vom 10. Juni 2005 berichtet, schreibe ich ein Buch zu § 1 Abs. 4 AusglLeistG. Das Buch umfaßt mittlerweile 170 Seiten; hinzu kommen Anlagen. Das fertige Manuskript habe ich am 19. September 2005 an den Beck-Verlag geschickt. Nach vorangehenden Telefonaten bin ich zuversichtlich, daß der Beck-Verlag das Buch verlegen wird. Der Beck-Verlag ist d e r juristische Verlag in Deutschland.

Sobald das Buch erschienen ist, erhält jedes Mitglied der IOB ein Exemplar.

3. sonstige Aktivitäten
a) Einige Verbände haben noch Beschwerden zur UNO-Menschenrechtskommission wegen der zu niedrigen Entschädigungen/Ausgleichsleistungen erhoben. Die IOB hat sich an den Beschwerden nicht beteiligt. Der Vorstand der IOB ist der Überzeugung, daß die Chancen, vor der UNO zu obsiegen, minimal und die Kosten für eine Beschwerde daher nicht zu vertreten sind.

b) Es gibt noch einen interessanten Versuch, die strafrechtliche Rehabilitierung auf das Gros der Gewerbe- und Industrieenteignungen auszudehnen. Damit ist RA Dr. Wasmuth befaßt, der Lektor beim Beck-Verlag und durch zahlreiche Veröffentlichungen zur Wiedergutmachungsgesetzgebung bekannt geworden ist. Dr. Wasmuth weist nach, daß die Industrie- und Gewerbeenteignungen Strafmaßnahmen waren (“Bestrafung der Nazi- und Kriegsverbrecher”) und daher rehabilitiert werden müssen. In einem Musterfall hat er das umfangreich (250 Seiten!) dargelegt. Wann mit der Entscheidung des Reha-Gerichts zu rechnen ist, kann allerdings nicht prognostiziert werden. Andererseits ist die Frist für den Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung bekanntlich bis zum 31. Dezember 2007 verlängert, so daß wir noch mehr als zwei Jahre Zeit haben, die von RA Dr. Wasmuth angestrebte Musterentscheidung abzuwarten. Greift das Rehabilitierungsgesetz, kommt bekanntlich das VermG anstelle des AusglLeistG zur Anwendung, so daß sogar Rückgabeansprüche oder Ansprüche auf Erlösauskehr (bei Verkauf) möglich wären.

Bis auf weiteres müssen uns mit dem EALG in seiner gegenwärtigen Fassung abfinden. Das bedeutet auch, daß wir darum kämpfen müssen, daß die Leistungen nach dem EALG nicht durch juristische Spitzfindigkeiten der Verwaltung eingeschränkt oder aberkannt werden. Diesen Kampf, der allein Erfolg verspricht, hat der Vorstand der IOB aufgenommen.

4. Am 30. Juni 2005 hat die Große Kammer des EGMR auch die Beschwerden der sogenannten Bodenreform-Eigentümer zurückgewiesen. Zur Erinnerung: Am 22. Januar 2004 hatte die zuständige Kleine Kammer des EGMR noch zugunsten der sogenannten Bodenreform-Eigentümer entschieden. Dagegen hatte die Bundesrepublik Deutschland Beschwerde eingelegt. In der - endgültigen - Entscheidung vom 30. Juni 2005 hat der EGMR sich “gedreht”.

Das war nicht erwartet worden, nachdem die Kleine Kammer, bestehend aus sieben Mitgliedern, den Menschenrechtsbeschwerden der Bodenreform-Eigentümer einstimmig stattgegeben hatte und diese sieben Mitglieder der Kleinen Kammer auch automatisch Mitglieder der Großen Kammer waren, die über die dagegen erhobene Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden hatte. Von den sieben Mitgliedern der Kleinen Kammer ist bei der Entscheidung der Großen Kammer noch ein Mitglied “umgefallen”. Außerdem ist es den sechs übrigen Mitgliedern der Kleinen Kammer offenbar nicht gelungen, auch nur ein Mitglied der Großen Kammer von der Richtigkeit ihrer Entscheidung zu überzeugen. Denn das Stimmenverhältnis zugunsten der Bundesrepublik in der Großen Kammer war 11 : 6.

Die Entscheidung des EGMR vom 30. Juni 2005 wurde bekanntgegeben durch eine Pressemitteilung des Kanzlers des EGMR; sie ist als

- Anlage 1 -

beigefügt.

Zum EGMR und dessen beiden Entscheidungen vom 30. März und 30. Juni 2005 füge ich als

- Anlage 2 -

ein aufschlußreiches Interview der “Jungen Freiheit” mit dem ehemaligen Bundesjustizminister Prof. Dr. Schmidt-Jortzig bei.


5. Verschiedenes
a) Im Verwaltungsgerichtsprozeß ist neuerdings die Vorschrift entfallen, wonach keine Gerichtsgebühren anfallen, wenn binnen einer Woche vor einem angesetzten Termin die Klage zurückgenommen wird. Es fallen also bei einer Klage nunmehr immer Gerichtskosten an.

b) Außerdem kann die Verwaltung, auch wenn sie nicht anwaltlich vertreten war, im Falle des Obsiegens eine Unkostenpauschale von EUR 20,00 erstattet verlangen.

c) Zum Stand der Abarbeitung der offenen Vermögensfragen beim BARoV und bei den (Landes-)Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen füge ich als

- Anlage 3 -

bei Pressemitteilung des BARoV vom 06. September 2005. Die Halbjahresstatistik für das erste Halbjahr 2005 können Sie unter www.barov.bund.de im Internet nachlesen.

d) In einem Nordrhein-Westfalen-Magazin, das in ähnlicher Weise in allen Bundesländern erscheint, habe ich kürzlich den als

- Anlage 4 -

beigefügten Artikel gefunden. Der Artikel ist zwar in Details nicht ganz richtig. Er führt aber noch einmal vor Augen, wie übel uns Enteigneten durch die Bundesrepublik mitgespielt wurde.

Mit freundlichen Grüßen


Dr. Rosenberger
Vorsitzender

 
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