Sehr
geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,
turnusmäßig
berichte ich - wegen der Bundestagswahl leicht verzögert
- wie folgt:
1.
politische Situation
Gleichgültig, zu was für einer Koalition
sich die politischen Parteien zusammenraufen werden:
Eine reine bürgerliche Koalition wird es nicht
geben. Das bedeutet: Mit grundlegenden Änderungen
zugunsten der in der SBZ/DDR Enteigneten ist nicht
zu rechnen. Irgendeinen Bremser wird es in einer Koalitionsregierung,
sei es mit der SPD, sei es mit den Grünen, immer
geben. Abgesehen davon wird im Bundestag eine Mehrheit
zugunsten einer Verbesserung ohnehin nicht zustande
kommen. Der finanzielle Aspekt wird eine grundsätzliche
Erhöhung der Entschädigungen/Ausgleichsleistungen
zugunsten der Enteigneten verbieten.
Soweit
hier in anderen Verbänden oder von interessierter
Seite Hoffnungen geweckt werden, vermag der Vorstand
der IOB dem nicht zu folgen.
Andererseits
wird in Einzelfragen des EALG eine Verbesserung in
Betracht kommen. Ich gehe davon aus, daß wir
einen neuen Finanzminister bekommen und auch der bisher
für die Enteigneten verantwortliche Staatssekretär
Bley durch einen anderen Staatssekretär ersetzt
werden wird. Sobald sich die Nebel nach Bildung einer
neuen Koalitionsregierung und der Klärung der
Personalfragen gelichtet haben werden, wird der Vorstand
der IOB zu bestimmten Fragen Einfluß zu nehmen
suchen. Dazu wird namentlich die Beendigung der extensiven
Auslegung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG (Würdigkeitsprüfung)
gehören. Nach meiner Überzeugung steht der
Aufwand, der durch die Verwaltung mit der Würdigkeitsprüfung
und der Abfassung von Bescheiden verbunden ist, die
in extensiver Weise die Würdigkeit der Antragsteller
diskutieren, in keinem Verhältnis zu den Einsparungen,
die sich das BMF von negativen Ausgleichsleistungsbescheiden
verspricht. Das ist doch sicher ein Argument!
2.
Buch zur “Unwürdigkeit”
Wie schon auf der Jahresversammlung und im Rundschreiben
vom 10. Juni 2005 berichtet, schreibe ich ein Buch
zu § 1 Abs. 4 AusglLeistG. Das Buch umfaßt
mittlerweile 170 Seiten; hinzu kommen Anlagen. Das
fertige Manuskript habe ich am 19. September 2005
an den Beck-Verlag geschickt. Nach vorangehenden Telefonaten
bin ich zuversichtlich, daß der Beck-Verlag
das Buch verlegen wird. Der Beck-Verlag ist d e r
juristische Verlag in Deutschland.
Sobald
das Buch erschienen ist, erhält jedes Mitglied
der IOB ein Exemplar.
3.
sonstige Aktivitäten
a) Einige Verbände haben noch Beschwerden zur
UNO-Menschenrechtskommission wegen der zu niedrigen
Entschädigungen/Ausgleichsleistungen erhoben.
Die IOB hat sich an den Beschwerden nicht beteiligt.
Der Vorstand der IOB ist der Überzeugung, daß
die Chancen, vor der UNO zu obsiegen, minimal und
die Kosten für eine Beschwerde daher nicht zu
vertreten sind.
b) Es gibt noch einen interessanten Versuch, die strafrechtliche
Rehabilitierung auf das Gros der Gewerbe- und Industrieenteignungen
auszudehnen. Damit ist RA Dr. Wasmuth befaßt,
der Lektor beim Beck-Verlag und durch zahlreiche Veröffentlichungen
zur Wiedergutmachungsgesetzgebung bekannt geworden
ist. Dr. Wasmuth weist nach, daß die Industrie-
und Gewerbeenteignungen Strafmaßnahmen waren
(“Bestrafung der Nazi- und Kriegsverbrecher”)
und daher rehabilitiert werden müssen. In einem
Musterfall hat er das umfangreich (250 Seiten!) dargelegt.
Wann mit der Entscheidung des Reha-Gerichts zu rechnen
ist, kann allerdings nicht prognostiziert werden.
Andererseits ist die Frist für den Antrag auf
strafrechtliche Rehabilitierung bekanntlich bis zum
31. Dezember 2007 verlängert, so daß wir
noch mehr als zwei Jahre Zeit haben, die von RA Dr.
Wasmuth angestrebte Musterentscheidung abzuwarten.
Greift das Rehabilitierungsgesetz, kommt bekanntlich
das VermG anstelle des AusglLeistG zur Anwendung,
so daß sogar Rückgabeansprüche oder
Ansprüche auf Erlösauskehr (bei Verkauf)
möglich wären.
Bis
auf weiteres müssen uns mit dem EALG in seiner
gegenwärtigen Fassung abfinden. Das bedeutet
auch, daß wir darum kämpfen müssen,
daß die Leistungen nach dem EALG nicht durch
juristische Spitzfindigkeiten der Verwaltung eingeschränkt
oder aberkannt werden. Diesen Kampf, der allein Erfolg
verspricht, hat der Vorstand der IOB aufgenommen.
4.
Am 30. Juni 2005 hat die Große Kammer des EGMR
auch die Beschwerden der sogenannten Bodenreform-Eigentümer
zurückgewiesen. Zur Erinnerung: Am 22. Januar
2004 hatte die zuständige Kleine Kammer des EGMR
noch zugunsten der sogenannten Bodenreform-Eigentümer
entschieden. Dagegen hatte die Bundesrepublik Deutschland
Beschwerde eingelegt. In der - endgültigen -
Entscheidung vom 30. Juni 2005 hat der EGMR sich “gedreht”.
Das
war nicht erwartet worden, nachdem die Kleine Kammer,
bestehend aus sieben Mitgliedern, den Menschenrechtsbeschwerden
der Bodenreform-Eigentümer einstimmig stattgegeben
hatte und diese sieben Mitglieder der Kleinen Kammer
auch automatisch Mitglieder der Großen Kammer
waren, die über die dagegen erhobene Beschwerde
der Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden hatte.
Von den sieben Mitgliedern der Kleinen Kammer ist
bei der Entscheidung der Großen Kammer noch
ein Mitglied “umgefallen”. Außerdem
ist es den sechs übrigen Mitgliedern der Kleinen
Kammer offenbar nicht gelungen, auch nur ein Mitglied
der Großen Kammer von der Richtigkeit ihrer
Entscheidung zu überzeugen. Denn das Stimmenverhältnis
zugunsten der Bundesrepublik in der Großen Kammer
war 11 : 6.
Die
Entscheidung des EGMR vom 30. Juni 2005 wurde bekanntgegeben
durch eine Pressemitteilung des Kanzlers des EGMR;
sie ist als
-
Anlage 1 -
beigefügt.
Zum EGMR und dessen beiden Entscheidungen vom 30.
März und 30. Juni 2005 füge ich als
-
Anlage 2 -
ein
aufschlußreiches Interview der “Jungen
Freiheit” mit dem ehemaligen Bundesjustizminister
Prof. Dr. Schmidt-Jortzig bei.
5. Verschiedenes
a) Im Verwaltungsgerichtsprozeß ist neuerdings
die Vorschrift entfallen, wonach keine Gerichtsgebühren
anfallen, wenn binnen einer Woche vor einem angesetzten
Termin die Klage zurückgenommen wird. Es fallen
also bei einer Klage nunmehr immer Gerichtskosten
an.
b) Außerdem kann die Verwaltung, auch wenn sie
nicht anwaltlich vertreten war, im Falle des Obsiegens
eine Unkostenpauschale von EUR 20,00 erstattet verlangen.
c) Zum Stand der Abarbeitung der offenen Vermögensfragen
beim BARoV und bei den (Landes-)Ämtern zur Regelung
offener Vermögensfragen füge ich als
-
Anlage 3 -
bei
Pressemitteilung des BARoV vom 06. September 2005.
Die Halbjahresstatistik für das erste Halbjahr
2005 können Sie unter www.barov.bund.de im Internet
nachlesen.
d)
In einem Nordrhein-Westfalen-Magazin, das in ähnlicher
Weise in allen Bundesländern erscheint, habe
ich kürzlich den als
-
Anlage 4 -
beigefügten
Artikel gefunden. Der Artikel ist zwar in Details
nicht ganz richtig. Er führt aber noch einmal
vor Augen, wie übel uns Enteigneten durch die
Bundesrepublik mitgespielt wurde.
Mit
freundlichen Grüßen
Dr. Rosenberger
Vorsitzender