IOB
   Interessengemeinschaft der in der Zone enteigneten Betriebe e.V.

 
 

Rundschreiben vom 27. Mai 2003

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,

turnusmäßig darf ich wie folgt berichten:

1. Jahresversammlung der IOB am 11. April 2003
Das Protokoll über die Jahresversammlung füge ich als

- Anlage 1 -

bei.

Wie Sie dem Protokoll bitte entnehmen wollen, war es mir vor der Jahresversammlung gelungen, zusätzlich zu Frau Dr. Grün Herrn Dr. Peukert für einen Vortrag auf der Jahresversammlung zu gewinnen. Herr Dr. Peukert gilt als d e r Experte zum Recht der Menschenrechtskonvention und war über mehrere Jahrzehnte bis zu seiner Pensionierung Sekretär erst der Europäischen Menschenrechtskommission und dann des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Herr Dr. Peukert konnte viele Fragen zu den aktuellen Menschenrechtsbeschwerden beantworten, die sich gegen das EALG und das EALG-Urteil des BVerfG richten. Herr Dr. Peukert rechnet in diesem Jahr mit einer Entscheidung zumindest über die Zulässigkeit der Beschwerden.

Meinen Vortrag auf der Jahresversammlung füge ich als

- Anlage 2 -

bei.

2. politische Situation
Die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und FDP in Niedersachsen enthält den Programmpunkt “Verbesserung des EALG zugunsten der Enteigneten” (vgl. dazu die S. 1 und 2 meines Vortrags Anlage 2).

Das Interesse der niedersächsischen Landesregierung an den Enteigneten und deren Verbänden zeigt sich auch darin, daß der neue Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen, Hirche, an der Jahresversammlung der AfA am 08. März 2003 teilgenommen hat.

Inwieweit vom Land Niedersachsen entscheidende Impulse für eine Verbesserung unserer Situation ausgehen können, wird wesentlich von der politischen Entwicklung von Christian Wulff abhängen.

3. verwaltungsrechtliche Rehabilitierung
Nach der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juni 2002, VIZ 03, S. 130, die ich als

- Anlage 3 -

beifüge, ist Graf Schlieffen mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BVerwG vom 11. April 2002 (Anlage 5 zu meinem Rundschreiben vom 29. Mai 2002) unterlegen.

Das BVerwG hat außerdem am 24. April 2003 entschieden, daß über das Vehikel einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung auch die Rückgabe von Vermögen nicht durchsetzbar ist, das zwecks Erlangung einer Ausreisegenehmigung (zwangsweise) veräußert wurde. Die entsprechende Presseveröffentlichung des BVerwG ist als

- Anlage 4 -

beigefügt.

Beide Entscheidungen bestätigen, daß über eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung die Restitution verbaut ist. Eine Ausnahme gilt a u s- s c h l i e ß l i c h für die Fälle der Zwangsaussiedlungen im Grenzgebiet zwischen der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik, vgl. das als

- Anlage 5 -

beigefügte Merkblatt des BAROV von September 2002. Erstaunlicherweise gibt es trotzdem immer noch Stimmen, die für die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung in den “Normalfällen” der Enteignungen durch die SBZ / DDR werben und meinen, um Erfolg zu haben, bedürfe es nur einer “korrekten Antragstellung”. Einen einschlägigen Aufsatz von Gertner VIZ 03, S. 49 füge ich als

- Anlage 6 -

bei. Der Aufsatz gibt Anlaß, dringend davor zu warnen, für Anträge auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung vergebliche Prozeß- und Anwaltskosten aufzuwenden.

4. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz
1. Zum Entschädigungsgesetz ist ein Entschädigungsrechtsänderungsgesetz in Vorbereitung. Danach ist u.a. folgendes vorgesehen:

a) Das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen soll allgemein zuständig sein für Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche. Hier zeichnet sich eine Zentralisierung der Bearbeitung ab.

b) Die Regelung über die Erteilung von Schuldverschreibungen (§ 9 EntschG und Schuldverschreibungsverordnung) soll ab dem 01. Januar 2004 entfallen. Ab dem 01. Januar 2004 wird sich der Anspruch auf Entschädigung / Ausgleichsleistungen daher unmittelbar gegen den Entschädigungsfonds richten.

c) Ab 01. Januar 2008 sollen die Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsansprüche nur noch mit 4 % verzinst werden. Eine Verzinsung von 6 % gibt es nur für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007.

Die AfA hat folgende zusätzliche Bestimmungen vorgeschlagen:

d) Es soll ein § 3 Abs. 16 in das AusglLeistG eingefügt werden. Danach soll bei dem begünstigten Flächenerwerb die Grunderwerbsteuer entfallen.

e) § 8 soll dahin geändert werden, daß der anzurechnende Lastenausgleich nicht für jeden Fall extra berechnet wird. Vielmehr soll in den Fällen, in denen Lastenausgleich gewährt wurde, eine Pauschale von 40 % der gekürzten Bemessungsgrundlage abgezogen werden.

Herr Dr. Märker und ich werden, evtl. mit weiteren Vorschlägen, die Ergänzungsvorschläge der AfA auf der nächsten Sitzung des Beirates zur Diskussion stellen.

2. Im Bereich des Ausgleichsleistungsgesetzes versuchen die (Landes-) Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen zunehmend, negativ zu bescheiden und die Verweigerung von Ausgleichsleistungen auf § 1 Abs. 4 AusglLeistG zu stützen. Nach dieser Vorschrift soll kein Rechtsanspruch auf Ausgleichsleistungen bestehen, wenn der Antragsteller oder derjenige, von dem dieser seinen Anspruch herleitet, “unwürdig” ist. Die Unwürdigkeit wird mit teilweise haarsträubenden Argumenten begründet. Zu diesen Argumenten gehört der Vorwurf gegen den Antragsteller bzw. dessen Rechtsvorgänger, er habe in seinem Betrieb Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt.

Ich habe in einem von mir bearbeiteten Fall, der inzwischen vor dem Verwaltungsgericht schwebt, gegen einen entsprechenden ablehnenden Bescheid Stellung bezogen. Diese Stellungnahme ist für Sie als Argumentationshilfe, sollten Sie dasselbe Problem haben, als

- Anlage 7 -

beigefügt.

3. Von den Entschädigungs- / Ausgleichsleistungsansprüchen sind nach den statistischen Mitteilungen des BAROV bisher erst ca. 25 % “abgearbeitet”. Die verzögerliche “Abarbeitung” der Ansprüche erscheint skandalös. Ihre Ursache hat sie teilweise in einem nicht unerheblichen Stellenabbau bei den (Landes-) Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen, teilweise aber auch darin, daß die ostdeutschen Ämter zu langsam arbeiten, welche Gründe das auch immer hat. Beamte des BMF, denen die “Abarbeitung” ebenfalls zu langsam vorangeht, raten inzwischen hinter vorgehaltener Hand, Untätigkeitsklage zu erheben. Diesem Rat sollte man folgen, wobei allerdings zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte abzuwarten sein wird.

5. Stand der Menschenrechtsbeschwerden
Die Verfahren sind inzwischen “ausgeschrieben”. Sowohl die Beschwerdeführer, wie die Bundesregierung als Gegner haben das Wesentliche vorgetragen. Nunmehr muß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (zunächst über die Zulässigkeit) entscheiden.

6. Veranstaltungen
a) Die angekündigte “Großdemonstration”, die am 08. März 2003 stattfinden und von der ARE veranstaltet werden sollte (vgl. mein Rundschreiben vom 28. Februar 2003, Ziff. 1), wurde mangels Beteiligung abgesagt.

b) Am 17. Juni 2003 jährt sich zum 50. Mal das Datum des Volksaufstandes in der DDR. Aus diesem Grunde organisiert die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft eine Gedenkveranstaltung am 15./16. Juni 2003 in Berlin. An der Veranstaltung ist auch der frühere Vorsitzende des HIOB (Hilfsfonds für die Opfer der stalinistischen Bodenreform), Christian Schmidt-Prestin, beteiligt. Den Aufruf für die Teilnahme an der Veranstaltung sowie das Programm füge ich als

- Anlage 8 -

bei.

Soweit es Ihnen möglich ist, nehmen Sie bitte teil. Ich begrüße diese Veranstaltung sehr.

c) Herr Schmidt-Prestin sammelt Gelder für ein Mahnmal sowie ein Informationszentrum für die in der ehemaligen SBZ und DDR Vertriebenen, Inhaftierten und ihres Eigentums Beraubten. Dazu übersende ich Ihnen ein Schreiben von Herrn Schmidt-Prestin vom 18. Mai 2003.

- Anlage 9 -

Ich habe Herrn Schmidt-Prestin für den Plan des Denkmals und des Informationsbüros die Unterstützung der IOB zugesagt. Der Vorstand der IOB wird in seiner nächsten Sitzung entscheiden, welcher Betrag für das Vorhaben zur Verfügung gestellt werden kann.

Ergänzend darf ich Sie bitten, für das Vorhaben zu spenden. Herr Schmidt-Prestin gewährleistet in seiner Person die zweckentsprechende Verwendung der Spenden.

7. Enteignungen Liste B
Eine Reihe von Unternehmen, die zwischen 1945 und 1949 enteignet wurden, wurde auf die sogenannte Liste B gesetzt. Diese Unternehmen waren nach 1945 von den Sowjets zunächst sequestriert und dann zurückgegeben, später aber gleichwohl enteignet worden.

Die Listen B, soweit sie von den Sowjets bestätigt wurden, können beweisen, daß die auf ihr aufgeführten Unternehmen, wenn später gleichwohl die Enteignung erfolgte, gegen den Willen der Sowjets enteignet wurden. Anhand der Listen B kann also dargetan werden, daß es für die darin genannten Unternehmen an einer Enteignung “auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage” fehlt und deshalb eine Rückgabe bzw. die Auskehr des Veräußerungserlöses zu erfolgen hat.

Für Sachsen und Thüringen kursieren bereits Listen B. Für diese Listen konnte allerdings nicht nachgewiesen werden, daß sie von den Sowjets autorisiert und bestätigt waren. Infolgedessen haben sie sich für Auseinandersetzungen mit den Behörden und vor den Verwaltungsgerichten als ungeeignet erwiesen. Für die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind überhaupt noch keine B-Listen aufgetaucht.

In Berlin gibt es nun eine Firma Facts & Files, die sich mit der historischen Forschung aus der Zeit der SBZ / DDR befaßt. Zwei Geschäftsführer der Firma hatten mich am 14. Februar 2003 aufgesucht. Ich habe ihnen gesagt, daß eine Anzahl von IOB-Mitgliedern an den B-Listen Interesse hat.

Wenn Sie Anhaltspunkte dafür haben, daß Ihr Unternehmen auf der B-Liste stand, setzen Sie sich bitte mit mir in Verbindung. Ein sicherer Anhaltspunkt ist der, daß Sie eine Rückgabeurkunde aus dem Jahre 1946 haben oder daß nach der vorläufigen Sequestrierung im Jahre 1945 Sie oder Ihr Rechtsvorgänger vorübergehend wieder die Verfügungsmacht über das Unternehmen erhielten. Ich beabsichtige, aus den Interessenten für die Listen B einen Pool zu bilden. Anhand dieses Pools könnte man Recherchen der Firma Facts & Files nach den von der Sowjetunion bestätigten B-Listen finanzieren.

8. Verschiedenes
1. Bei Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz der DDR kann in der Regel weder Restitution, noch eine Entschädigung verlangt werden. Das BVerwG hat allerdings nunmehr entschieden, daß etwas anderes gilt, wenn sich die Inanspruchnahme als eine “unlautere Machenschaft” i.S. des § 1 Abs. 3 VermG darstellt. Eine unlautere Machenschaft sei anzunehmen, wenn die DDR-Behörden das Vorhaben nach dem Aufbaugesetz nur vorgeschoben haben, um das begehrte Wirtschaftsgut zu erlangen (Urteil vom 25. Oktober 2002, Az. 7 B 35.02).

2. Zu den haarsträubenden Vorgängen in Strausberg, insbesondere bei der zweiten Enteignung der jüdischen Familie London, übergebe ich als

- Anlage 10 -

einen Artikel aus der BZ vom 18. Februar 2003 und als

- Anlage 11 -

das in VIZ 03, S. 100 abgedruckte Urteil des OLG Brandenburg vom 21. Mai 2002.

3. Über das Beziehungsgeflecht zwischen Leo Kirch und der Kohl-Regierung berichtet der SPIEGEL in seiner Ausgabe vom 14. April 2003.

- Anlage 12 -

Der Artikel verdeutlicht, warum es der IOB trotz zahlreicher Demarchen nicht gelungen ist, das nun fürwahr interessante und kontroverse Thema der Festschreibung der Enteignungen in der Anfang der 90iger Jahre führenden Talkshow, dem in Sat 1 gesendeten “Talk im Turm” behandeln zu lassen.

4. Unser Mitglied Eberhard Plümecke aus Kanada hat eine eigene Website im Internet, in dem er zu unserem Thema die “Chronologie einer Lüge” veröffentlicht (www.pluemecke.info).

5. Entsprechend dem auf der Jahresversammlung vorgetragenen Wunsch füge ich als

- Anlage 13 -

die Satzung der IOB bei. Die Satzung enthält bereits die auf der Jahresversammlung beschlossenen Änderungen und Ergänzungen.

6. Die IOB hat gegenwärtig 502 Mitglieder. Das ist für eine Vereinigung, die in besonderem Maße die Interessen der in der SBZ / DDR enteigneten Unternehmer vertritt, zu wenig.

Bitte werben Sie in Ihrem Bekanntenkreis für neue Mitglieder! Antragsformulare für Neumitglieder können bei meiner Sekretärin, Frau Meißner, angefordert werden.

Interessieren Sie bitte auch die jüngere Generation für unser Anliegen und eine Mitgliedschaft! Eine Blutauffrischung durch jüngere Mitglieder kann der IOB nur gut tun.


Mit herzlichen Grüßen

Dr. Rosenberger
Vorsitzender


Einem Teil des heutigen Rundschreibens ist ein Prospekt über das Buch von Udo Madaus “Allianz des Schweigens” beigefügt.

 
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