Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder,
turnusmäßig darf ich
wie folgt berichten:
1. Jahresversammlung
der IOB am 11. April 2003
Das Protokoll über die Jahresversammlung füge
ich als - Anlage 1 -
bei.
Wie Sie dem Protokoll bitte entnehmen
wollen, war es mir vor der Jahresversammlung gelungen,
zusätzlich zu Frau Dr. Grün Herrn Dr. Peukert
für einen Vortrag auf der Jahresversammlung zu
gewinnen. Herr Dr. Peukert gilt als d e r Experte
zum Recht der Menschenrechtskonvention und war über
mehrere Jahrzehnte bis zu seiner Pensionierung Sekretär
erst der Europäischen Menschenrechtskommission
und dann des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte.
Herr Dr. Peukert konnte viele
Fragen zu den aktuellen Menschenrechtsbeschwerden
beantworten, die sich gegen das EALG und das EALG-Urteil
des BVerfG richten. Herr Dr. Peukert rechnet in diesem
Jahr mit einer Entscheidung zumindest über die
Zulässigkeit der Beschwerden.
Meinen Vortrag auf der Jahresversammlung
füge ich als - Anlage 2 -
bei.
2. politische Situation
Die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und FDP in
Niedersachsen enthält den Programmpunkt “Verbesserung
des EALG zugunsten der Enteigneten” (vgl. dazu
die S. 1 und 2 meines Vortrags Anlage 2).
Das Interesse der niedersächsischen
Landesregierung an den Enteigneten und deren Verbänden
zeigt sich auch darin, daß der neue Wirtschaftsminister
des Landes Niedersachsen, Hirche, an der Jahresversammlung
der AfA am 08. März 2003 teilgenommen hat.
Inwieweit vom Land Niedersachsen
entscheidende Impulse für eine Verbesserung unserer
Situation ausgehen können, wird wesentlich von
der politischen Entwicklung von Christian Wulff abhängen.
3. verwaltungsrechtliche
Rehabilitierung
Nach der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juni 2002,
VIZ 03, S. 130, die ich als
- Anlage 3 -
beifüge, ist Graf Schlieffen mit seiner Verfassungsbeschwerde
gegen die Entscheidung des BVerwG vom 11. April 2002
(Anlage 5 zu meinem Rundschreiben vom 29. Mai 2002)
unterlegen.
Das BVerwG hat außerdem
am 24. April 2003 entschieden, daß über
das Vehikel einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung
auch die Rückgabe von Vermögen nicht durchsetzbar
ist, das zwecks Erlangung einer Ausreisegenehmigung
(zwangsweise) veräußert wurde. Die entsprechende
Presseveröffentlichung des BVerwG ist als
- Anlage 4 -
beigefügt.
Beide Entscheidungen bestätigen,
daß über eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung
die Restitution verbaut ist. Eine Ausnahme gilt a
u s- s c h l i e ß l i c h für die Fälle
der Zwangsaussiedlungen im Grenzgebiet zwischen der
ehemaligen DDR und der Bundesrepublik, vgl. das als - Anlage 5 -
beigefügte Merkblatt des BAROV von September
2002. Erstaunlicherweise gibt es trotzdem immer noch
Stimmen, die für die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung
in den “Normalfällen” der Enteignungen
durch die SBZ / DDR werben und meinen, um Erfolg zu
haben, bedürfe es nur einer “korrekten
Antragstellung”. Einen einschlägigen Aufsatz
von Gertner VIZ 03, S. 49 füge ich als
- Anlage 6 -
bei. Der Aufsatz gibt Anlaß, dringend davor
zu warnen, für Anträge auf verwaltungsrechtliche
Rehabilitierung vergebliche Prozeß- und Anwaltskosten
aufzuwenden.
4. Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsgesetz
1. Zum Entschädigungsgesetz ist ein Entschädigungsrechtsänderungsgesetz
in Vorbereitung. Danach ist u.a. folgendes vorgesehen:
a) Das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen
soll allgemein zuständig sein für Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsansprüche. Hier zeichnet
sich eine Zentralisierung der Bearbeitung ab.
b) Die Regelung über die Erteilung von Schuldverschreibungen
(§ 9 EntschG und Schuldverschreibungsverordnung)
soll ab dem 01. Januar 2004 entfallen. Ab dem 01.
Januar 2004 wird sich der Anspruch auf Entschädigung
/ Ausgleichsleistungen daher unmittelbar gegen den
Entschädigungsfonds richten.
c) Ab 01. Januar 2008 sollen die Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsansprüche nur noch mit
4 % verzinst werden. Eine Verzinsung von 6 % gibt
es nur für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum
31. Dezember 2007.
Die AfA hat folgende zusätzliche
Bestimmungen vorgeschlagen:
d) Es soll ein § 3 Abs.
16 in das AusglLeistG eingefügt werden. Danach
soll bei dem begünstigten Flächenerwerb
die Grunderwerbsteuer entfallen.
e) § 8 soll dahin geändert werden, daß
der anzurechnende Lastenausgleich nicht für jeden
Fall extra berechnet wird. Vielmehr soll in den Fällen,
in denen Lastenausgleich gewährt wurde, eine
Pauschale von 40 % der gekürzten Bemessungsgrundlage
abgezogen werden.
Herr Dr. Märker und ich
werden, evtl. mit weiteren Vorschlägen, die Ergänzungsvorschläge
der AfA auf der nächsten Sitzung des Beirates
zur Diskussion stellen.
2. Im Bereich des Ausgleichsleistungsgesetzes
versuchen die (Landes-) Ämter zur Regelung offener
Vermögensfragen zunehmend, negativ zu bescheiden
und die Verweigerung von Ausgleichsleistungen auf
§ 1 Abs. 4 AusglLeistG zu stützen. Nach
dieser Vorschrift soll kein Rechtsanspruch auf Ausgleichsleistungen
bestehen, wenn der Antragsteller oder derjenige, von
dem dieser seinen Anspruch herleitet, “unwürdig”
ist. Die Unwürdigkeit wird mit teilweise haarsträubenden
Argumenten begründet. Zu diesen Argumenten gehört
der Vorwurf gegen den Antragsteller bzw. dessen Rechtsvorgänger,
er habe in seinem Betrieb Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene
beschäftigt.
Ich habe in einem von mir bearbeiteten
Fall, der inzwischen vor dem Verwaltungsgericht schwebt,
gegen einen entsprechenden ablehnenden Bescheid Stellung
bezogen. Diese Stellungnahme ist für Sie als
Argumentationshilfe, sollten Sie dasselbe Problem
haben, als
- Anlage 7 -
beigefügt.
3. Von den Entschädigungs-
/ Ausgleichsleistungsansprüchen sind nach den
statistischen Mitteilungen des BAROV bisher erst ca.
25 % “abgearbeitet”. Die verzögerliche
“Abarbeitung” der Ansprüche erscheint
skandalös. Ihre Ursache hat sie teilweise in
einem nicht unerheblichen Stellenabbau bei den (Landes-)
Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen,
teilweise aber auch darin, daß die ostdeutschen
Ämter zu langsam arbeiten, welche Gründe
das auch immer hat. Beamte des BMF, denen die “Abarbeitung”
ebenfalls zu langsam vorangeht, raten inzwischen hinter
vorgehaltener Hand, Untätigkeitsklage zu erheben.
Diesem Rat sollte man folgen, wobei allerdings zunächst
die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte abzuwarten sein wird.
5. Stand der Menschenrechtsbeschwerden
Die Verfahren sind inzwischen “ausgeschrieben”.
Sowohl die Beschwerdeführer, wie die Bundesregierung
als Gegner haben das Wesentliche vorgetragen. Nunmehr
muß der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte (zunächst über die Zulässigkeit)
entscheiden.
6. Veranstaltungen
a) Die angekündigte “Großdemonstration”,
die am 08. März 2003 stattfinden und von der
ARE veranstaltet werden sollte (vgl. mein Rundschreiben
vom 28. Februar 2003, Ziff. 1), wurde mangels Beteiligung
abgesagt.
b) Am 17. Juni 2003 jährt sich zum 50. Mal das
Datum des Volksaufstandes in der DDR. Aus diesem Grunde
organisiert die Union der Opferverbände kommunistischer
Gewaltherrschaft eine Gedenkveranstaltung am 15./16.
Juni 2003 in Berlin. An der Veranstaltung ist auch
der frühere Vorsitzende des HIOB (Hilfsfonds
für die Opfer der stalinistischen Bodenreform),
Christian Schmidt-Prestin, beteiligt. Den Aufruf für
die Teilnahme an der Veranstaltung sowie das Programm
füge ich als
- Anlage 8 -
bei.
Soweit es Ihnen möglich
ist, nehmen Sie bitte teil. Ich begrüße
diese Veranstaltung sehr.
c) Herr Schmidt-Prestin sammelt
Gelder für ein Mahnmal sowie ein Informationszentrum
für die in der ehemaligen SBZ und DDR Vertriebenen,
Inhaftierten und ihres Eigentums Beraubten. Dazu übersende
ich Ihnen ein Schreiben von Herrn Schmidt-Prestin
vom 18. Mai 2003.
- Anlage 9 -
Ich habe Herrn Schmidt-Prestin für den Plan des
Denkmals und des Informationsbüros die Unterstützung
der IOB zugesagt. Der Vorstand der IOB wird in seiner
nächsten Sitzung entscheiden, welcher Betrag
für das Vorhaben zur Verfügung gestellt
werden kann.
Ergänzend darf ich Sie bitten,
für das Vorhaben zu spenden. Herr Schmidt-Prestin
gewährleistet in seiner Person die zweckentsprechende
Verwendung der Spenden.
7. Enteignungen Liste
B
Eine Reihe von Unternehmen, die zwischen 1945 und
1949 enteignet wurden, wurde auf die sogenannte Liste
B gesetzt. Diese Unternehmen waren nach 1945 von den
Sowjets zunächst sequestriert und dann zurückgegeben,
später aber gleichwohl enteignet worden.
Die Listen B, soweit sie von
den Sowjets bestätigt wurden, können beweisen,
daß die auf ihr aufgeführten Unternehmen,
wenn später gleichwohl die Enteignung erfolgte,
gegen den Willen der Sowjets enteignet wurden. Anhand
der Listen B kann also dargetan werden, daß
es für die darin genannten Unternehmen an einer
Enteignung “auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher
Grundlage” fehlt und deshalb eine Rückgabe
bzw. die Auskehr des Veräußerungserlöses
zu erfolgen hat.
Für Sachsen und Thüringen
kursieren bereits Listen B. Für diese Listen
konnte allerdings nicht nachgewiesen werden, daß
sie von den Sowjets autorisiert und bestätigt
waren. Infolgedessen haben sie sich für Auseinandersetzungen
mit den Behörden und vor den Verwaltungsgerichten
als ungeeignet erwiesen. Für die Länder
Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt
sind überhaupt noch keine B-Listen aufgetaucht.
In Berlin gibt es nun eine Firma
Facts & Files, die sich mit der historischen Forschung
aus der Zeit der SBZ / DDR befaßt. Zwei Geschäftsführer
der Firma hatten mich am 14. Februar 2003 aufgesucht.
Ich habe ihnen gesagt, daß eine Anzahl von IOB-Mitgliedern
an den B-Listen Interesse hat.
Wenn Sie Anhaltspunkte dafür
haben, daß Ihr Unternehmen auf der B-Liste stand,
setzen Sie sich bitte mit mir in Verbindung. Ein sicherer
Anhaltspunkt ist der, daß Sie eine Rückgabeurkunde
aus dem Jahre 1946 haben oder daß nach der vorläufigen
Sequestrierung im Jahre 1945 Sie oder Ihr Rechtsvorgänger
vorübergehend wieder die Verfügungsmacht
über das Unternehmen erhielten. Ich beabsichtige,
aus den Interessenten für die Listen B einen
Pool zu bilden. Anhand dieses Pools könnte man
Recherchen der Firma Facts & Files nach den von
der Sowjetunion bestätigten B-Listen finanzieren.
8. Verschiedenes
1. Bei Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz der DDR
kann in der Regel weder Restitution, noch eine Entschädigung
verlangt werden. Das BVerwG hat allerdings nunmehr
entschieden, daß etwas anderes gilt, wenn sich
die Inanspruchnahme als eine “unlautere Machenschaft”
i.S. des § 1 Abs. 3 VermG darstellt. Eine unlautere
Machenschaft sei anzunehmen, wenn die DDR-Behörden
das Vorhaben nach dem Aufbaugesetz nur vorgeschoben
haben, um das begehrte Wirtschaftsgut zu erlangen
(Urteil vom 25. Oktober 2002, Az. 7 B 35.02).
2. Zu den haarsträubenden Vorgängen in Strausberg,
insbesondere bei der zweiten Enteignung der jüdischen
Familie London, übergebe ich als
- Anlage 10 -
einen Artikel aus der BZ vom 18. Februar 2003 und
als
- Anlage 11 -
das in VIZ 03, S. 100 abgedruckte Urteil des OLG Brandenburg
vom 21. Mai 2002.
3. Über das Beziehungsgeflecht
zwischen Leo Kirch und der Kohl-Regierung berichtet
der SPIEGEL in seiner Ausgabe vom 14. April 2003.
- Anlage 12 -
Der Artikel verdeutlicht, warum es der IOB trotz zahlreicher
Demarchen nicht gelungen ist, das nun fürwahr
interessante und kontroverse Thema der Festschreibung
der Enteignungen in der Anfang der 90iger Jahre führenden
Talkshow, dem in Sat 1 gesendeten “Talk im Turm”
behandeln zu lassen.
4. Unser Mitglied Eberhard Plümecke
aus Kanada hat eine eigene Website im Internet, in
dem er zu unserem Thema die “Chronologie einer
Lüge” veröffentlicht (www.pluemecke.info).
5. Entsprechend dem auf der Jahresversammlung vorgetragenen
Wunsch füge ich als
- Anlage 13 -
die Satzung der IOB bei. Die Satzung enthält
bereits die auf der Jahresversammlung beschlossenen
Änderungen und Ergänzungen.
6. Die IOB hat gegenwärtig
502 Mitglieder. Das ist für eine Vereinigung,
die in besonderem Maße die Interessen der in
der SBZ / DDR enteigneten Unternehmer vertritt, zu
wenig.
Bitte werben Sie in Ihrem Bekanntenkreis
für neue Mitglieder! Antragsformulare für
Neumitglieder können bei meiner Sekretärin,
Frau Meißner, angefordert werden.
Interessieren Sie bitte auch
die jüngere Generation für unser Anliegen
und eine Mitgliedschaft! Eine Blutauffrischung durch
jüngere Mitglieder kann der IOB nur gut tun.
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Rosenberger
Vorsitzender
Einem Teil des heutigen Rundschreibens ist ein Prospekt
über das Buch von Udo Madaus “Allianz des
Schweigens” beigefügt.