Bundesverwaltungsgericht Leipzig |

Pressemitteilung Nr. 14/2005: BVerwG 3 C 20.0417.03.2005


Keine Ausgleichsleistung für die Erben Hugenbergs


Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden,
dass den Erben von Dr. Alfred Hugenberg keine Ausgleichsleistung
für die entschädigungslose Enteignung seines Gutes zusteht, da er
dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet
hat (§ 1 Abs. 4 AusglLeistG).

Hugenberg (1865 bis 1951) gründete nach 1916 einen Presse- und
Medienkonzern. 1919 wurde er für die Deutschnationale Volkspartei -
DNVP - Mitglied der Nationalversammlung und war bis 1945
Reichstagsabgeordneter. 1928 übernahm er den Vorsitz der DNVP.
Zusammen mit der NSDAP und dem "Frontkämpferbund Stahlhelm" gründete
er 1931 die "Harzburger Front". Im Januar 1933 wurde Hugenberg
Reichsminister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung im
Kabinett Hitler. Im Juni 1933 trat er von seinen Minister- und
Parteiämtern zurück. Von 1946 bis 1951 befand er sich in britischer
Internierung. Im Rahmen der Entnazifizierung wurde er 1950 als
"Entlasteter" eingestuft.

Eine Rückübertragung des Gutes war 1994 bestandskräftig abgelehnt
worden. Den Antrag auf die Gewährung einer Ausgleichsleistung nach
dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz lehnte das
Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit
Bescheid vom 18. April 2001 ab, da Hugenberg dem
nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet habe.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Dresden
abgewiesen.

Die Revision der Klägerin, einer aus den Erben Hugenbergs
bestehenden Gesellschaft, blieb erfolglos. Das
Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, dass in Bezug auf Hugenberg
die Voraussetzungen für einen Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4
AusglLeistG vorliegen. Nach dieser Regelung wird eine
Ausgleichsleistung für eine entschädigungslose Enteignung auf
besatzungshoheitlicher Grundlage unter anderem dann nicht gewährt,
wenn derjenige, von dem der Anspruchsteller seine Rechte ableitet,
dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet
hat.

Ein erhebliches Vorschubleisten im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG
ist bereits in der Phase der Errichtung des nationalsozialistischen
Systems möglich und nicht erst nach dessen Etablierung.
Voraussetzung für einen Anspruchsausschluss ist in objektiver
Hinsicht, dass nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit
einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen wurden, die dazu
geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung
oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems zu
verbessern oder Widerstand zu unterdrücken, und dies auch zum
Ergebnis hatten. Der Nutzen, den das Regime aus dem Handeln gezogen
hat, darf nicht nur ganz unbedeutend gewesen sein. Die subjektiven
Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes sind erfüllt, wenn die
betreffende Person dabei in dem Bewusstsein gehandelt hat, ihr
Verhalten könne diesen Erfolg haben. Die Einstufung als
"Entlasteter" im Rahmen der Entnazifizierung ist in diesem
Zusammenhang ohne Bedeutung.

Ein solches erhebliches Vorschubleisten zugunsten des
nationalsozialistischen Systems ist auf der Grundlage der vom
Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen sowie
allgemeinkundiger Erkenntnisse zu den Umständen der
nationalsozialistischen Machtergreifung bei Hugenberg anzunehmen.
Durch die auf Hugenberg zurückgehende Aufnahme der NSDAP in das
Bündnis gegen den Young-Plan und deren Einbeziehung in die
"Harzburger Front" stieg das Ansehen der NSDAP in der Bevölkerung,
Hitler wurde "salonfähig". 1933 entschloss sich Hugenberg als
bekannter und einflussreicher Politiker, Minister im Kabinett Hitler
zu werden. Ohne Mitwirkung Hugenbergs wäre Hitler nicht zum
Reichskanzler ernannt worden. In die Zeit der Regierungsbeteiligung
Hugenbergs fallen außerdem wichtige von ihm mitgetragene Rechtsakte,
die wesentlich zur Errichtung des nationalsozialistischen Systems
beigetragen haben, wie etwa das Ermächtigungsgesetz.

BVerwG 3 C 20.04 - Urteil vom 17. März 2005